Der inzwischen weltbekannte Fantasyautor Joe Abercrombie blickt auf eine 10-jährige Erfolgsgeschichte zurück. Auf seinem Blog JoeAbercrombie.com erzählt er von seinem interessanten Weg als Schriftsteller im Verlagsgeschäft:
Ich weiß, es ist kaum zu glauben, aber vor 10 Jahren, am 04. Mai 2006 wurde mein Debütroman The Blade Itself (Anm.: Kriegsklingen) veröffentlicht.
Um es in einen Kontext deutlich zu machen (und ich habe selbst so meine Probleme es zu begreifen), The Blade Itself ist heute ebenso lange auf dem Markt, wie das Buch A Game of Thrones auf dem Markt war, als The Blade Itself erstmalig erschien. Zehn Jahre. Das erfordert einen Rückblick auf alles, was seither passierte…
Für einen Debütroman hatte das Buch einen guten Start, wobei es sich zu jener Zeit ziemlich unspektakulär anfühlte, verglichen mit meinen Vorstellungen, wie ich mit einem Dirty Martini in der Hand eine Marmortreppe hinunter schreite, begleitet vom stürmischen Applaus der Öffentlichkeit. Rückblickend war ich nicht so recht darauf vorbereitet, dass mein Buch nach dem ersten kleinen Schauer recht guter Rezensionen und Aufmerksamkeitsbekundungen, erst mal in ein Loch des Schweigens zu fallen schien. Damals habe ich stündlich das Internet durchforstet, jede Erwähnung in mich aufgesogen, jedes nette Wort gefeiert und mich in jede Kritik hineingesteigert. Doch die Reihe wuchs beständig, insbesondere nachdem ich, ein Jahr nach dem Erscheinungstermin im Vereinigten Königreich, einen Verleger in den USA gefunden hatte. Jedes neue Buch weckte Interesse in das allererste. In manchen Ländern kommt es gerade erst in die Regale – ich glaube die neueste Ausgabe ist in chinesischen Kurzzeichen erschienen, und bis heute wurde die First-Law-Reihe in fast 30 Sprachen veröffentlicht.
Ich schätze man kann sagen, dass ich seit 10 Jahren ein veröffentlichter Autor bin, obwohl ich mich, wenn ich ehrlich bin, gerade erst daran gewöhne mich selbst als „Schreiber“ zu bezeichnen und „Schriftsteller“ fühlt sich immer noch irgendwie anmaßend an. Genau genommen kann man vielleicht sagen, dass ich seit 2001 ein Schreiber bin. Das war die Zeit, als ich begann mit dem Buch zu experimentieren, das später The Blade Itself werden sollte. Ein professioneller Schreiber bin ich seit 2005, weil ich in diesem Jahr meinen ersten Vertrag beim Verlag Gollancz unterschrieb. Dennoch, obwohl es bedeutete, dass ich meine schriftstellerische Tätigkeit nun wesentlich ernster nehmen konnte als zuvor, war mein erster Fortschritt bei weitem nicht lebensverändernd. Ich arbeitete immer noch als Fernsehredakteur während ich Before they are Hanged (Feuerklingen), Last Argument of Kings (Königsklingen) und Best Served Cold (Racheklingen) schrieb. Es dauerte bis vielleicht 2010, bis ich mich selbst als Vollzeit-Schriftsteller bezeichnen konnte und selbst dann arbeitete ich noch für ein oder zwei Jahre gelegentlich als Redakteur.
Während der 10 Jahre veröffentlichte ich 10 Bücher (wenn wir die Sammlung von Kurzgeschichten (Sharp Ends) mitzählen, die in den vergangenen ein bis zwei Wochen erschienen ist), obwohl ich eigentlich etwas langsamer schrieb, als jedes Jahr ein ganzes Buch. Die schnellsten waren die Bruchsee-Bücher (Königsschwur, etc.) mit etwa 10 Monaten pro Teil, die langsamsten Red Country (Blutklingen) und Best Served Cold, für die ich jeweils vielleicht 20 Monate benötigte. Gleichmäßig über die ganze Zeitspanne verteilt habe ich etwa 10.000 Wörter pro Monat geschrieben. Der Durchschnitt wird erheblich gedrückt durch die Zeiten, in denen ich geplant, editiert und überarbeitet habe und kein neues Wort geschrieben.
Ich habe meine Bücher in allen Herrschaftsgebieten und Formaten verkauft, insgesamt etwa drei bis vier Millionen Bücher. Ihr werdet mir die Ungenauigkeiten verzeihen müssen, denn ihr würdet erstaunt sein, wie schwer es ist diese Dinge mit harten Zahlen zu belegen. Die meisten davon sind in englischer Sprache und ich verkaufe schätzungsweise die gleiche Anzahl Bücher in den USA, wie im Vereinigten Königreich (UK). Die UK-Zahlen beinhalten auch die Verkäufe in Australien und die englischen Ausgaben, die in Europa verkauft werden. Der US-Markt ist dennoch bedeutend größer. Somit bin ich, vielleicht nicht überraschend, daheim wesentlich erfolgreicher, als auf der anderen Seite des Atlantiks. Meine letzten fünf Hardcover haben im Vereinigten Königreich die Liste der TOP 5 erreicht, während sich nur einer die US-Bestsellerliste quälte, irgendwo auf die erweiterte Liste um die Nummer 25 herum.
Es waren zehn wirklich interessante Jahre im Verlagsgeschäft – die Industrielandschaft hat sich seit 2006 verändert. Wahrscheinlich stärker, als in jedem anderen Jahrzehnt seit die Druckerpresse erfunden wurde. Es scheint schwer zu glauben, aber als Pyr die US-Rechte an der First-Law-Reihe kaufte, waren sie in der Tat nicht an den E-Book-Rechten interessiert. Heutzutage sind E-Books schon die halbe Miete, zumindest in manchen Gegenden und für manche Arten von Fiktion, und das Hörbuch wurde ebenfalls erheblich wichtiger. Als ich meinen ersten Vertrag mit Gollancz unterschrieb war der Selbstverlag mit der Notwendigkeit selbst zu drucken, die Bücher selbst daheim zu lagern und selbst zu einzelnen Buchläden zu fahren, nahezu undenkbar. Heutzutage ist es ein zunehmend beliebter und effektiver Weg auf den Buchmarkt. Als ich das erste Mal an Diskussionen über Buchverkäufe beteiligt war, war die große Befürchtung, dass der erschreckende Koloss Waterstones – der gerade erst die Buchhandelskette Ottakars im Vereinigten Königreich geschluckt hatte – den Buchhandel monopolisieren würde. Verlage taten, was sie konnten, um mutige kleine Nischenverkäufer wie Amazon zu unterstützen. Jetzt bedroht Amazon nicht nur die konventionellen Buchgeschäfte, sondern das ganze Paradigma des traditionellen Verlagsgeschäfts.
Trotz der ganzen Umbrüche bin ich optimistisch. Umbruch kann Resonanz, Innovation und neue Möglichkeiten bedeuten. Es scheint, als wenn Papierbücher mit E-Books ein Gleichgewicht finden, das Raum für beide lässt. Mein eigenes Gefühl sagt mir, dass es sich mit dem traditionellen Verlagsgeschäft und dem Selbstverlag ebenso verhalten wird. Es hält die Verlage auf Trapp und eröffnet neue Möglichkeiten für die Autoren. Am Ende wird es immer einen Hunger nach guter Literatur geben, ganz gleich nach welcher Methode und mit welchem Medium publiziert wird. Autoren werden immer die Hilfe und Unterstützung von guten Redakteuren und Agenten benötigen, ebenso wie die Kunst, das Design, das Marketing, die Öffentlichkeit und alle Arbeitsvorgänge, die einen Leser mit einem Buch verbinden, das sie genießen. Das Schreiben kann ein einsames Geschäft sein, aber niemand kann alles alleine machen. Wenn es eine Sache gibt, für die ich über die vergangenen zehn Jahre hinweg dankbar bin, dann sind es die Leute, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Insbesondere die Lektoren, die meine Bücher verfochten und verbessert haben: Lou Anders at Pyr, Devi Pillai at Orbit, Tricia Narwani at Del Rey, Jane Johnson, Nick Lake und Natasha Bardon at Harper Collins und zu guter Letzt Gillian Redfearn, welche einst The Blade Itself als Lektoratsassistentin bei Gollancz kaufte. Sie ist über die vergangenen zehn Jahre hinweg mein Komplize gewesen und jetzt die Verlagsleiterin.
Wie auch immer, das hier fängt langsam an wie eine Todesanzeige zu klingen, anstatt einer Feier. Mit Glück und ordentlich Wind werde ich auch in den nächsten Jahrzehnten Lektoren zur Verzweiflung bringen, Leser enttäuschen und das Genre vergiften. Herzlichen Glückwunsch an The Blade Itself. Alles Gute zum Geburtstag sage ich…
Quelle: JoeAbercrombie.com
Glückwunsch zum Jubiläum und alles Gute, Joe Abercrombie! To infinity and beyond…!