19. März 2024

Milchgesicht von Christian Duda

Christian Duda: Milchgesicht, Hardcover, Beltz Verlag, 2020.

Nix los hier«, so leiert der Refrain Tag für Tag durch das Dorf, irgendwo im Nirgendwo der Steiermark. Es sind die 1950er Jahre, Entbehrung und harte körperliche Arbeit schnitzen ihre Spuren tief in die Gesichter und Herzen der Menschen. In diese archaische Welt wird Sepp geboren. Sepps Haut ist auffallend weiß, die Augen rot entzündet, er schreit – ein Säugling mit Ansprüchen. Viel frisches Blut soll er trinken, seine Krankheit damit in Schach gehalten werden. Noch bevor Sepp seine ersten Schritte tut, wird er zum Gespött der Leute. Aber freilich nur hinter vorgehaltener Hand! Wie kann ein Kind unter solchen Bedingungen wachsen?

Und was bedeutet es bis heute, anders zu sein? Gebannt und stets an der Seite des Protagonisten verfolgt der Leser Sepps schicksalhaften Weg und nähert sich unheilvoll dem Abgrund. (Quelle: Beltz Verlag)

Titel: Milchgesicht Autor: Christian Duda Verlag: Beltz Seitenzahl: 159 Genre: Jugendroman Alter: 16+ Erste Aufl.: 12. Februar 2020 Ausgaben: Hardcover, E-Book ISBN: ‎ 978-3407755438 (HC) Sonstiges: —

Pressestimmen (Auswahl)

»Ein Meisterwerk über Familie und Anderssein in den in mehrfacher Hinsicht gewalttätigen Nachkriegsjahren des 20. Jahrhunderts.« Jury Beste 7, April 2020

»Christian Duda entwirft Bilder und Szenen, die man nicht vergisst. Er erhebt nicht den Zeigefinger, er bauscht nichts auf, er bleibt bei dem, was er kennt …« Sybil Gräfin Schönfeldt, Süddeutsche Zeitung, 22.5.2020

»[Christian Duda] schildert eindringlich und ungeschönt das archaische Leben in einem Dorf der Nachkriegszeit und die Intoleranz und Grausamkeit allem gegenüber, was anders ist.« Dominique Salcher, Münchner Merkur, 14.3.2020

»›Milchgesicht‹ ist berührend, wichtig und tiefgründig.« Rita Dell‘Agnese, Jugendbuch-Couch, 7/2020

Meine Meinung zu Milchgesicht

Andere Pressestimmen zu einem Buch zitiere ich eigentlich recht selten in meinen Rezensionen. In diesem Fall brauche ich sie, um meine persönliche Meinung zu Milchgesicht besser verdeutlichen zu können.

Erschreckend anders?

Der Autor Christian Duda beschreibt in seinem Buch das harte Leben und die Entbehrungen der Bevölkerung im ländlichen Steiermark der Nachkriegsjahre. Fremden und Fremdem begegnet man hier generell mit Misstrauen und Vorurteilen. Man distanziert sich, gibt sich nach außen einfühlsam und auch tolerant, und redet doch hinter vorgehaltener Hand über alles, was nicht sein kann. Duda findet die richtigen Worte und ich kann nicht sagen, ich wäre mit dem Buch nicht zurecht gekommen.

Milchgesicht reiht sich ein in die Gruppe jener Bücher, die Jugendlichen die tatsächlich mitunter harten gesellschaftlichen Verhältnisse der Kriegs- und Nachkriegsjahre verdeutlichen soll. Doch zu welchem Zweck? Man entwirft “Bilder und Szenen, die man nicht vergisst“. Ist es tatsächlich das Ziel des Buches, den Zeigefinger zu heben und auf die schlimmen gesellschaftlichen Verhältnisse damals zu zeigen? Oder will uns der Autor damit beispielhaft aufzeigen, wie Menschen noch bis in die heutige Zeit “ticken“?

Ich denke, Menschen und die Gesellschaft ändern sich nicht. Sie sind, wie sie sind. Es wird immer Vorurteile gegen und Ausgrenzung von Dingen geben, die ungewöhnlich sind. Man kann sich dabei noch so tolerant nach außen geben, in Gedanken ist man es vermutlich selten. In dieser Hinsicht hat Christian Duda die Menschen durchschaut und den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber ist es dadurch ein Buch, das überrascht und nachdenklich macht? Überrascht hat es mich nicht. Ebenso halte ich es für verfehlt in diesem Fall von einem “Meisterwerk“ zu sprechen. Soll es uns meisterlich die Augen öffnen, die eigentlich schon offen sind? Ein meisterlich geschriebener Thriller ist es wohl sicher auch nicht. Das können andere besser.

Was ich gut fand an Milchgesicht

Auch wenn sich mir der Sinn dieses Buches nicht völlig erschließt, so gab es doch den einen oder anderen Punkt, den ich gut fand.

Milchgesicht gibt seinen Lesern einen guten Einblick in die gesellschaftlichen Zwänge der damaligen Zeit. Das Buch spielt hauptsächlich in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. In den Familien gibt der Mann den Ton an. Kinder werden ab 12 Jahren als Arbeitskräfte regelrecht verkauft. Familiäre Gewalt ist an der Tagesordnung. Diese Einblicke sind gut und interessant. Duda beschreibt sie schonungslos.

Mit „Milchgesicht“ ist der junge Sepp gemeint (Kurzform von Josef), der in ebendiese Zeit hineingeboren wurde. Eher unerwünscht, denn die Pille gab es noch nicht, und zudem noch so anders, als die anderen Kinder. Seine Haut ist blass, fast weiß. Seine Augen sind rot unterlaufen und er ist immer wieder krank. Sepp ist ein Kind, das sich keiner so wünschen würde und damit ein ständiges Ziel von Spott und falschem Mitleid. Der Autor hat das gut ausdrücken können, wie seine Andersartigkeit Sepp schon früh zum Außenseiter macht.

Trotz allem, die Liebe seiner Tante, die ihn großzieht nachdem die Mutter Sepp abgeschoben hat, ist ungebrochen. Als alleinstehende Frau wünscht sie sich kaum etwas sehnlicher, als ein Kind, für das sie da sein kann. Ihre Beziehung zueinander ist geprägt von Liebe und es geht einem das Herz auf, davon zu lesen. Die Tante ist der positive Gegenpol zur mit Vorurteilen und Inakzeptanz behafteten Gesellschaft außerhalb der kleinen gemeinsamen Wohnung. Sie gibt dem Buch eine schöne Seite.

Gut zu lesen, aber nicht zwingend notwendig

Die Sprache von Milchgesicht ist einfach und prägnant. Sätze sind kurz, ebenso wie die Kapitel, die immer wieder kurze Episoden aus Sepps Leben sind. Das Buch ist gut zu lesen für mal eben zwischendurch. Allerdings würde ich es nicht unbedingt als ein “Meisterwerk“ bezeichnen, das man unbedingt gelesen haben müsste. Ebensowenig ist es “wichtig“, wie Rita Dell‘Agnese von der Jugendbuch-Couch schrieb. Man versteht die Welt auch ohne dieses Buch und ohne von Sepps Leid lesen zu müssen. Berührend und teilweise tiefgründig ist Milchgesicht jedoch schon. Was ich außerdem gut fand, habe ich oben schon beschrieben. Der Schluss soll wohl erschrecken und ist eigentlich ganz anders, als ich es zu Beginn erwartet hatte. Doch den muss jeder selbst lesen und beurteilen.

Mein Fazit zu Milchgesicht

3 von 5 Sternen „Blieb leider hinter meinen Erwartungen zurück.“

Milchgesicht von Christian Duda ist ein Jugendbuch ab 16 Jahren, das eindrucksvoll die gesellschaftlichen Zwänge und Vorurteile gegenüber Andersartigen aufzeigt. Es gibt gute Einblicke in das ländliche Leben und die Gesellschaft der Nachkriegsjahre des vergangenen Jahrhunderts. Allerdings bin ich weit davon entfernt von einem “Meisterwerk“ zu sprechen und finde es eher überbewertet. Es lässt sich gut lesen, hat jedoch eine relativ niedrige Spannungskurve. Das könnte dazu führen, dass man es schnell wieder beiseite legt. Es ist eines dieser Bücher, die man typischerweise im Schulunterricht lesen und analysieren würde, ohne dabei sonderlich viel Freude zu empfinden. Kein Buch, dass man zur Unterhaltung mal eben lesen würde und auch keineswegs “wichtig“.

Jay

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