3. Dezember 2024

Vince Vawter: Wörter auf Papier (engl.: Paperboy)

I know a kid is supposed to respect grown-ups who make the rules and also respect God who knows how everything is supposed to work but I couldn’t get over the feeling that neither one of them was doing a very good job.

Vince Vawter: Paperboy, page 140
Vince Vawter: Paperboy US-Hardcover Delacorte Press (2013)
Vince Vawter: Paperboy
US-Hardcover
Delacorte Press (2013)

Victor hat es wahrlich nicht einfach. Zwar ist der Baseball spielende 12-jährige der beste Werfer in seiner Heimatstadt Memphis, doch das Sprechen fällt ihm äußerst schwer. Sein Stottern ist so stark, dass er sich oft zurückzieht und nur wenig spricht, um nicht aufzufallen.
Als sein bester Freund Arthur im Sommer 1959 für vier Wochen zu Verwandten aufs Land fährt, übernimmt Victor für ihn das Zeitungaustragen in der Nachbarschaft. Die Zeitungen perfekt zu werfen macht im Spaß und fällt ihm nicht schwer, doch jeden Freitag muss er von Haus zu Haus gehen, mit den Menschen sprechen und das Zeitungsgeld einsammeln, weshalb er ein ungutes Gefühl im Bauch hat. Wie werden die Menschen auf ihn und sein Stottern reagieren?
Victor lernt bei seiner Arbeit die unterschiedlichsten Leute kennen. Zum Beispiel Mrs Worthworth, die dem Whiskey nicht abgeneigt ist und ihn „Süßer“ nennt. Einen Jungen, der das Haus nie verlässt und den Tag vor dem Fernseher verbringt. Den belesenen Mr Spiro, der Victor einen „stotternden Dichter“ nennt und sich Zeit für seine Fragen nimmt. Und den obdachlosen Ara T, der die Mülltonnen nach Brauchbarem durchwühlt und es mit dem Besitz anderer Leute nicht so genau nimmt.

Titel: Wörter auf Papier (Paperboy) Autor: Vince Vawter Verlag: Königskinder (Delacorte Books) Seitenzahl: 288 (240) Genre: Jugendbuch Alter: 12+ Erste Aufl.: 21. Oktober 2014 (14.05.2013) Ausgaben: Hardcover, Taschenbuch (ENG), E-Book, Hörbuch (ENG) ISBN: 978-3551560018 (Dt. HC), 978-0385742443 (ENG HC)

Über das Buch und den Autor

Vince Vawter: Wörter auf Papier Königskinder Verlag (Carlsen) Oktober 2014
Vince Vawter: Wörter auf Papier, Königskinder Verlag (Carlsen), Oktober 2014

Vince Vawter, eigentlich Vilas Vincent Vawter der Dritte, wurde in Memphis (Tennessee) geboren und arbeitete vierzig Jahre lang für verschiedene Zeitungen in . Heute lebt er mit seiner Frau in Luisville (Tennessee) auf einer einer kleinen Farm am Fuße der Great Smokey Mountains. Mit Paperboy präsentiert er seinen ersten Roman, der, wie er selbst sagt, „mehr Memoiren als Fiction“ beinhaltet. Während des Lesens findet man immer wieder Parallelen zwischen der Handlung und dem realen Leben des Autors. In seinen Anmerkungen am Ende des Buches beschreibt er, dass er selbst seit sechzig Jahren stottert und bestätigt, was man als aufmerksamer Leser vermutet. Paperboy ist eine Geschichte aus seinem Leben.
Paperboy erschien am 14. Mai 2013 bei delacorte press (Randomhouse), New York und hat nach nur einem Jahr bereits die 8. Auflage erreicht. Mit 221 Seiten ist die Handlung überschaubar, aber mit großem Tiefgang. Der Text ist in 20 Kapitel unterteilt und es gibt sehr viele Absätze, was das Lesen einfach macht. Paperboy soll ein Buch für Kinder ab einem Alter von 12 Jahren und älter sein, spricht aber auch Ältere an. Die deutsche Übersetzung mit dem Titel Wörter auf Papier soll etwa 320 Seiten umfassen und im Oktober 2014 beim Königskinder Verlag (CARLSEN) erscheinen. Übersetzer ist Ingo Herzke.

Meine Meinung

Ich weiß nicht mehr genau wie ich auf das Buch kam. Vermutlich bin ich irgendwo im Internet über den Klappentext gestolpert und habe es daraufhin bestellt. Im Nachhinein war die Lektüre für mich eine äußerst gute Erfahrung. Vince Vawter, selbst Stotterer, beschreibt sehr einfühlsam, detailliert und bildlich die Probleme mit denen junge Menschen durch diese Störung des Redeflusses konfrontiert werden. Gerade Kinder und Jugendliche leiden sehr stark darunter, da die Störung auch ihr soziales Umfeld beeinflusst. Nicht selten kommt es zu Hänseleien, was zu noch mehr Unsicherheit führt und das Stottern begünstigt. Ausgrenzung und auch schon die Angst davor gehen oft einher mit dem Umvermögen sich so sprachlich auszudrücken, wie man es möchte und wie es bei Victor im Buch der Fall ist. Oft vermeidet er das Sprechen generell.

I never liked to hear the doorbell ring at my house because it meant I might have to talk to somebody besides Mam and Rat.

Vince Vawter: Paperboy, page 24

Was er alles tut, um die peinlichen Pausen oder das Stottern zu umgehen, ist zum einen wohl amüsant zu lesen, zum anderen fühlt man jedoch auch immer wieder mit ihm. Vince Vawter beschreibt ganz vortrefflich wie für uns alltägliche Situationen für Victor große sprachliche Hürden darstellen. Zum Beispiel, wenn man nach dem eigenen Namen gefragt wird, man ihn jedoch nicht aussprechen kann.

I hated trying to say my full name more than I hated anything in the world.

Vince Vawter: Paperboy, page 28

Der Junge ist jedoch stark und versucht das Beste aus seiner Lebenssituation zu machen. Er ist nicht depressiv, sondern arbeitet im Laufe der Handlung beständig an Strategien, wie er mit seiner Sprachstörung umgehen kann. In den vier Wochen als Zeitungsausträger reift sein Charakter immer mehr und als Leser freut man sich mit ihm über seine Erfolge. Das Victor zudem keineswegs auf den Kopf gefallen ist, dass zeigen Aussage wie diese:

Why do s~s~s~s~people who can talk right waste so s~s~s~s~many words saying s~s~s~s~nothing?

Vince Vawter: Paperboy, page 62

Eine berechtigte Frage für ein Kind, dass täglich versucht sich mit möglichst wenig Worten verständlich auszudrücken.
Wie in einem Aufsatz beschreibt Victor in Paperboy die Ereignisse. Er nutzt eine Schreibmaschine, da es ihm leichter fällt seine Gedanken zu Papier zu bringen, als sie auszusprechen. In dem ganzen Buch wird man kein einziges Komma finden, denn Kommas bedeuten Pausen beim Lesen, die Victor absolut nicht mag.

I hate commas. (…) My composition teacher said a comma meant it was time for a pause. I pause all the time when I’m trying to talk whether I want to or not.

Vince Vawter:Paperboy, page 2

Genug der Zitate. Paperboy ist ein Buch, dass sich lohnt zu lesen. Nicht nur für Kinder und Jugendliche. Interessant sind auch die Zeit (1959) und der Ort der Geschichte. Memphis in Tennessee gehört zu den Südstaaten der USA. Bis 1964 wurde die Rassentrennung (Segregation) dort in vielen Bereichen praktiziert. Schwarze durften im Bus nur hinten sitzen oder nur an bestimmten Tagen mit den (weißen) Kindern in den Zoo. Die Probleme der Schwarzen in jener Zeit schwingen im Buch ganz nebenbei mit, denn die Haushälterin in Viktors Familie ist eine Farbige, die Victor nicht nur großzieht und immer für ihn da ist, sondern ihm nicht nur einen guten Rat auf seinen Lebensweg mitgibt. Nicht zuletzt riskiert sie für ihn ihr Leben, aber mehr soll dazu hier nicht gesagt werden.

Mein Fazit

5 von 5 Sternen "Ein wundervolles Buch über das Stottern und das Erwachsenwerden."
5 von 5 Sternen
„Ein wundervolles Buch über das Stottern und das Erwachsenwerden.“

Ich könnte noch so einiges über das Buch schreiben, denn es enthält so viele positive Aspekte und Einsichten, die man Menschen mit auf den Weg geben kann. Nicht alles konnte und wollte ich in diese Rezension packen. Paperboy besticht vor allem durch interessante Charaktere, Tiefgang und eine klare Sprache. Die Handlung ist relativ einfach gehalten und Action im größeren Umfang wird man auch nicht finden. Die benötigt das Buch auch nicht. Vielmehr glänzt Paperboy durch seine aufschlussreiche Herangehensweise an die Problematik des Stotterns und die charakterliche Entwicklung eines Jungen, der mutig und voller Hoffnung mit sich selbst und dem Leben kämpft.
Das Buch ist in Teilen humorvoll geschrieben und es regt dabei auch immer wieder zum Nachdenken an. Die Tatsache, dass es tatsächliche Erlebnisse des Autors sind, macht es für mich nur umso bedeutender.

Ich habe das Buch auf Englisch gelesen (Paperboy). Es ist gut verständlich. Da Kommas im Text fehlen, muss man manchen langen Satz erneut lesen. Allerdings hat dies nur wenig Auswirkung auf den Lesefluss.

Jay

Buchtrailer auf YouTube

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