19. März 2024

Der Erbe der Schatten von Robin Hobb

Robin Hobb: Der Erbe der Schatten, Broschierte Ausgabe, Penhaligon, 2017

Nur mit Mühe und mit Hilfe der Alten Macht und seines Wolfs Nachtauge konnte Fitz Chivalric der grausamen Folter im Kerker von Bocksburg entkommen. Seine Freunde und Feinde halten ihn für tot und nichts steht mehr zwischen seinem skrupellosen Onkel Prinz Edel und dem Thron der sechs Provinzen. Schwer gezeichnet von seinen Misshandlungen schwört Fitz bittere Rache für alles, was man ihm angetan hat und er macht sich zusammen mit Nachtauge auf den Weg nach Fierant, dem Herrschersitz des neuen Königs Edel, um ihn zu töten. Doch nicht nur Edels Soldaten sind bald auf seinen Fersen, auch dessen Kordiale, eine Gruppe starker Gabenkundiger, sind Fitz auf der Spur und eine tödliche Gefahr.

Da erreicht Fitz der Ruf seines verschollenen Freundes und Königs — Prinz Veritas. Ihn zu finden könnte die einzige Rettung für das gebeutelte Volk der sechs Provinzen sein und der Schlüssel für den Kampf gegen die roten Korsaren.

Titel: Der Erbe der Schatten (Assassin’s Quest) Autorin: Robin Hobb Verlag: Penhaligon (Harper Collins) Reihe: Die Chronik der Weitseher (The Farseer) #3 Seitenzahl: 1.120 Genre: Fantasy Alter: 14+ Erste Aufl.: 1997 (Bastei Lübbe) (03. März 1997) Ausgaben: Hardcover (ENG), Taschenbuch, E-Book, Hörbuch ISBN: 978-0007562275 (Engl. TB) 978-3764531867 (TB) Sonstiges: Karte der sechs Provinzen Vorgängerband: Der Bruder des Wolfs Folgeband: Diener der alten Macht (Das Erbe der Weitseher, #1)

Über das Buch Der Erbe der Schatten

Robin Hobb: Die Magie des Assassinen (Der Erbe der Schatten), Bastei Lübbe, 1997
Dt. Taschenbuchausgabe von 1997 (Bastei Lübbe)

Die englische Originalausgabe des Buches erschien bereits 1997 unter dem Titel Assassin’s Quest und ist der letzte Teil der ersten Weitseher-Trilogie von Fantasyautorin Robin Hobb (*1952). Das Buch wurde zügig ins Deutsche übersetzt und erschien noch im selben Jahr unter dem Titel Die Magie des Assassinen bei Bastei-Lübbe (Bild rechts). 2009 veröffentlichte Heyne unter dem Titel Der Nachtmagier eine Neuauflage, doch weder Cover noch Titel haben einen Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches. Seit 2017 wird das Buch bei Penhaligon unter dem Titel Der Erbe der Schatten verlegt, der allerdings auch nicht sonderlich gut zur Handlung passt.

Von allen deutschen Ausgaben des Buches ist die Erstausagbe von Bastei Lübbe (rechts) die schönste. Nicht nur passt der Titel des Buches zum Inhalt, auch das Cover ist ansprechend gestaltet. Es zeigt Fitz Chivalric zusammen mit seinem Wolf Nachtauge und einen Drachen im Hintergrund, der für die Handlung eine wesentliche Rolle spielt. Gänzlich nichtssagend sind dagegen Titel und Cover der 2009 erschienenen Ausgabe (Der Nachtmagier) von Heyne.

Das Buch ist der dritte und letzte Teil der inzwischen schon fast legendären ersten Weitseher-Trilogie (engl.: Farseer Trilogy). Zwei weitere Weitseher-Trilogien folgten im Laufe der Jahre. Weitere Informationen zu allen ihren Büchern und den verschiedenen Ausgaben findet ihr gesammelt im Autorenporträt von Robin Hobb.

Meine Meinung zu Der Erbe der Schatten

Es ist vollbracht. Mit Der Erbe der Schatten habe ich heute den letzten Band der ersten Weitseher-Trilogie beendet. Ich hatte das Buch schon vor über 20 Jahren einmal gelesen und es ist diesmal sogar noch wesentlich besser gewesen, als ich es in Erinnerung hatte. Ich war beim Lesen ziemlich überrascht, wie viele Einzelheiten der Handlung ich überhaupt nicht mehr wusste. Zwar hatte ich einige Eckpunkte noch im Kopf, allerdings war es ansonsten, als wenn ich das Buch vorher noch nie gelesen hätte.

Eine epische Handlung voller Überraschungen

Assassin’s Quest ist der Titel, den Robin Hobb diesem Buch gab und er könnte nicht treffender sein, um die Handlung dieses Buches zu beschreiben. Übersetzt lautet der Titel Die Queste des Assassinen. Das Wort „Queste“ kommt aus dem Altfranzösischen und bedeutet „abenteuerliche Suche“. Ein Held begibt sich also auf eine abenteuerliche Reise, um am Ende etwas Verlorenes zu finden oder eine heldenhafte Tat zu vollbringen, zum Beispiel um einen magischen Ring in einen Vulkan zu werfen. Fitz Chivalrics Queste führt ihn einmal quer durch die sechs Provinzen und weit über deren Grenzen hinaus. Zunächst ist sein Ziel der Palast des Thronräubers Edel. Später erhält Fitz durch die Gabe den Hilferuf des verschollenen Thronfolgers Prinz Veritas, der sich im Vorgängerband selbst auf eine Queste begab, um die legendären Uralten zu finden, mächtige Wesen, die ihm und seinem Volk im Kampf gegen die roten Korsaren zur Seite stehen sollten. Der ganze dritte Band beschreibt also Fitz‘ Wanderung durch die sechs Provinzen auf dem Weg zu seinem Freund und rechtmäßigen König Prinz Veritas.

Die Queste ist voller Gefahren und Strapazen und füllt das ganze Buch. Sie gestaltet sich nicht gerade einfach, denn Fitz ist schwer gezeichnet. Nicht nur körperlich, sondern auch seelisch hat er in der Vergangenheit tiefe Wunden davongetragen von denen er sich, wenn überhaupt, nur langsam erholt. Edels Schergen sind ihm ebenso auf den Fersen, wie die verbliebenen Mitglieder von Edels Kordiale, mächtigen Meistern der Gabe, die mental versuchen ihn zu finden und ihm den Todesstoß zu versetzen. Keine guten Voraussetzungen für eine entspannte Reise zu seinem verschollenen Freund Prinz Veritas. Zwar ist Nachtauge an seiner Seite, doch auch der Wolf kann ihn nicht vor allen Gefahren beschützen. Dies alles trägt sehr zur Spannung im Buch bei. Fitz trifft auf seiner Reise eine Vielzahl von Personen, von denen er nicht weiß, inwieweit er ihnen trauen kann. Zu groß ist die Gefahr, man könnte ihn erkennen und an Edel ausliefern. Robin Hobb gestaltet die Queste abwechslungsreich und spannend. Es gibt einige sehr ergreifende Momente, sowie das eine oder andere emotionale Wiedersehen mit alten Freunden und Feinden, was der Handlung und dem Spannungsbogen zugutekommt. Lediglich der Schluss hätte in meinen Augen etwas straffer sein können, denn Robin Hobb ist eine Meisterin der Worte, wenn es darum geht zwischenmenschliche Beziehungen auszugestalten (und das schließt auch Nachtauge mit ein). Im Gegensatz dazu sind die Kämpfe knapp gehalten, was jedoch nicht stört.

Charakterbeziehungen stehen wieder im Fokus

Robin Hobb: Assassin's Quest, englische Erstausgabe von "Der Erbe der Schatten"
Robin Hobb: Assassin’s Quest, US-Erstausgabe, Harper Collins, 1997

Fitz und Nachtauge stehen im Zentrum des Buches. Die Beziehung zu seinem Wolf wird in Der Erbe der Schatten noch enger und vielschichtiger, da sowohl die alte Macht, als auch die Gabe einen höheren Stellenwert im Buch einnimmt. Dadurch ist dieser letzte Teil der Trilogie auch der mit dem höchsten Grad an Fantasy-Elementen. Die Gabe und die alte Macht bestimmen einen Großteil der Handlung, wobei Robin Hobb die Möglichkeiten noch um einige Aspekte erweitert hat, was der Handlung sehr gutgetan hat.

Auf ihren Weg zu Prinz Veritas kreuzen immer wieder neue, interessante Charaktere den Weg von Fitz und Nachtauge. Da wäre zum Beispiel Krähe, eine alte Frau, die so manches Geheimnis mit sich herumzutragen scheint. Oder Merle Vogelsang, eine reisende Vagantin, deren Ziele anfangs ebenfalls nicht ganz klar sind. Auch altbekannte Charaktere spielen eine Rolle. Zum Beispiel Kronprinzessin Kettricken und natürlich darf der geheimnisvolle Narr (definitiv ein Lieblingscharakter von mir) nicht fehlen

Fitz ist sehr von den Ereignissen der Vergangenheit gezeichnet. Wie schlimm es wirklich um ihn steht, wird in Der Erbe der Schatten ziemlich deutlich. Seine Liebe zu Molly ist ungebrochen, ebenso wie seine Freundschaft zu Burrich, Chade und Prinzessin Philia. Dennoch hat er sie alle verloren, denn man hält ihn für tot und er kann nicht ohne weiteres zu ihnen zurückkehren. Seine Gedanken und Gefühle für seine Freunde bestimmen wesentlich seine Person im Buch und sind beispielhaft für sein seine Verzweiflung, seine Einsamkeit und die Größe seines Verlusts. Selten konnte ich in einem Buch eine solche Charaktertiefe finden, wie es in Robin Hobbs Protagonisten Fitz der Fall ist.

Die Handlung komplett aus der Ich-Perspektive von Fitz zu erzählen ist keine Einschränkung, sondern eine geschickte Wahl, denn so ist man wirklich ganz nahe an der Hauptperson. Trotzdem schafft die Autorin das Kunststück des Perspektivenwechsels, indem sie Fitz mit der Gabe und der alten Macht in seinen Träumen wandern lässt. Dadurch kann er Ereignisse sehen, die dem Leser sonst gänzlich verborgen wären. So hat man, wenn auch nur sehr begrenzt, Einblicke in Mollys, Burrichs und Philias Leben, obwohl diese viele tausend Wegstunden entfernt sind. Mir hat dieser Kunstgriff sehr gut gefallen.

Der Schluss ist Robin Hobb gut gelungen

Wie schließt man eine solche Trilogie am besten ab, damit die Leser zufrieden sind? Robin Hobb hat in meinen Augen auch hier alles richtig gemacht. Der Schluss ist emotional, traurig, andererseits aber auch überraschend. Es fiel mir schwer „meinen Fitz“ loszulassen. Ich verrate natürlich nichts weiter, außer dass ich mich umso mehr auf die Fortsetzung der Geschichte in der folgenden (zweiten) Weitseher-Trilogie freue.

Noch ein Nachtrag: In manchen Rezensionen auf Amazon lese ich, das Leser mit dem Schluss des Buches überhaupt nicht zufrieden waren und ich kann das nachvollziehen. Auch mir ging es damals so, als ich die Bücher das erste Mal gelesen habe (und des die nachfolgenden Trilogien noch nicht gab). Ich war ein wenig enttäuscht vom Schluss und wie die Geschichte für Fitz ausgeht. Wäre diese Geschichte tatsächlich abgeschlossen, dann wäre die Enttäuschung vielleicht berechtigt. Wenn man jedoch in den nachfolgenden Büchern die Weiterentwicklung der Ereignisse liest und die Zusammenhänge kennt, wird man den Schluss in Der Erbe der Schatten besser verstehen und mit völlig anderen Augen sehen. Zumindest war das bei mir der Fall. Falls Du also zu denen gehörst, die dem Schluss nicht viel abgewinnen können, dann lies auch die anderen Bücher. Es lohnt sich, denn das Ende in Assassin’s Fate (aka Die Tochter des Wolfs) ist traurig, aber zugleich wunderschön.

Mein Fazit zu Der Erbe der Schatten

5 von 5 Sterne „Ein tolles Buch!“

Mit Der Erbe der Schatten hat Robin Hobb ihre erste Weitseher-Trilogie in meinen Augen hervorragend beendet. Mit viel Gefühl beschreibt sie Fitz Chivalrics langen Weg nicht nur zu seinem Freund und König Veritas, sondern auch zu sich selbst. Selten konnte mich ein Charakter in einem Fantasyroman so für sich einnehmen, wie es bei Fitz der Fall ist. Robin Hobbs klarer und schnörkelloser Schreibstil und ihre Gabe Emotionen und Charakterbeziehungen treffend zu beschreiben und damit Spannung aufzubauen, machen alle drei Bücher der ersten Weitseher-Trilogie zu einer kurzweiligen und spannenden Lektüre, die man auch nach Jahren immer wieder aufschlagen und lesen kann. Oder wie sagte schon George R. R. Martin sinngemäß: Robin Hobb schreibt Fantasy, so wie sie geschrieben gehört!

Jay

Covergalerie zu Der Erbe der Schatten

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