26. April 2024

Jugendschutz bei Büchern?

Jugendschutz bei Büchern

Der Frühling hält Einzug. Nach einigen doch recht kalten Tagen und Nächten merkt man, dass es doch so langsam auf die warme Jahreszeit zugeht. Ich war am 1. Mai auch auf dem ersten Kirchweih-Markt in Bad Steben und habe das bunte Treiben genossen.

So langsam scheint wieder etwas Normalität einzukehren im Land. Hoffen wir, dass es so bleibt und sich die Schreckensszenarien mancher Politiker und „Experten“ nicht bewahrheiten. Inzwischen hat sich bei mir auch einiges beruflich getan und ich habe letzte Woche einen Vertrag an meiner neuen Schule in der oberfränkischen Heimat unterschrieben. Nach fast 10 Jahren hat die Odyssee durch den Freistaat Bayern nun endlich ein Ende. Keineswegs zu früh, denn meine Oma wird Ende Mai stolze 97 Jahre und braucht einfach noch mehr Unterstützung durch die Familie. Ich bin daher froh, dass ich jetzt näher an der Heimat bin und dass es geklappt hat. Eine große Portion Glück war natürlich auch mit dabei. Infos zur neuen Schule gibt es dann im September.

Jugendschutz bei Büchern

Auch diesen Montag gibt es natürlich wieder die Montagsfrage von Sophia vom Bücherblog Wordworld, die ich gerne beantworte. Diesmal hat es mit Kinder- und Jugendschutz zu tun und die Frage, ob es sinnvoll ist, auch in der Bücherwelt Hinweise auf kinder- und jugendgefährdende Inhalte hinzuweisen.

Altersfreigaben oder Altersempfehlungen –
Wie steht Ihr zu Jugendschutz bei Büchern und wie sollte dieser aussehen?

Viele von uns kennen das ja bereits bei Filmen (FSK) und Videospielen (USK). Die schönen farbigen Aufkleber, die den Käufer darauf hinweisen, ab welchem Alter der Film oder das Spiel geeignet ist. Bei Büchern könnte das dann LSK heißen: Literaturwirtschaft Selbstkontrolle. Dass Bücher kritisch auf ihre Inhalte überprüft werden sollen, war schon 2009 der Wunsch des SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy. Dieser wollte insbesondere der Verbreitung von Büchern mit rechtsextremistischem Gedankengut vorbeugen. Die Leser sollten nicht nur gewarnt werden, sondern auch ein Verbot bestimmter sollte damit sicherlich einfacher gemacht werden. Besonders harte Horrorstreifen werden ja auch in Deutschland immer wieder indiziert (weil man dem braven Bürger vorschreiben will, was er gefälligst nicht zu sehen hat). Ich persönlich halte davon nicht allzu viel. Edathy geriet später wegen Vorwürfe zum Besitz von Kinderpornografie ins Kreuzfeuer der Politik und der Medien. Manche erinnern sich vielleicht daran.

Nach meinen Recherchen im Internet sollte die Selbstkontrolle für Bücher bereits im April 2020 offiziell werden. Bücher werden wohl ab diesem Zeitpunkt mit einer Altersempfehlung beworben. Was das betrifft, bin ich jedoch geteilter Meinung.

Jugendschutz bei Büchern: Kriterien für die Altersfestsetzung?

Jugendschutz bei Büchern klingt zunächst nach einer recht guten Sache. Wer möchte nicht die jungen Leserinnen und Leser vor Sex und Gewalt in der Literatur schützen? Es gibt auch sicherlich einige Bücher, die nicht gerade für junge Leser geeignet sind. Fifty Shades of Grey von E L James soll zum Beispiel dazugehören (ich habe das Buch nicht gelesen und es interessiert mich auch nicht). So mancher Horrorroman könnte ebenfalls zu schlaflosen Nächten führen. Der Festa Verlag in Borsdorf bei Leipzig vertreibt ebenfalls eine ganze Reihe extremer Horrorromane, die im regulären Buchhandel nicht erhältlich sind. In diesen Fällen, wenn es um detaillierten Sex und extreme Gewalt geht, wäre es sicherlich sinnvoll, die Bücher entsprechend zu kennzeichnen.

Es stellt sich mir jedoch die Frage, nach welchen Kriterien beurteilt wird und wo man die Grenzen des Zulässigen zieht? Letztendlich liegt die Entscheidung auch immer auch bei den Eltern und deren Meinung kann stark differieren. Ich habe auch schon erlebt, dass fürsorgliche Eltern ihren Kindern zum 12. Geburtstag Computerspiele geschenkt haben, die eindeutig erst ab 18 freigegeben sind…

Verboten? Wie interessant!

Als Lehrer, der tagtäglich nahezu hilflos mit ansehen muss, wie die Verblödung unserer Kinder mit Handys & Co. vorangetrieben wird, mache ich mir keine Illusionen. Die Masse der 12- bis 16-Jährigen wird heutzutage eher nicht zum Buch greifen – viel zu anstrengend, viel zu langweilig (ohne Bilder). So gesehen fällt Fifty Shades of Grey nicht gerade ins Beuteschema des Nachwuchses (eher sind es einschlägige Heftchen mit vielen freizügigen Bildern und wenig Text, und die sind eh schon schwer zugänglich). Echte Leseratten hingegen könnten durchaus einen neugierigen Blick riskieren.

Es stellt sich mir also die Frage, ob eine Alterskennzeichnung nicht eher das Interesse wecken würde? Bei mir wäre das in dem Alter zumindest der Fall gewesen. Was man nicht darf, war schon immer reizvoll. Müssen Kinder und Jugendliche dann den Ausweis mit in die Buchhandlung nehmen? Wie ist das dann beim Onlinehandel? Muss ich dort eine Ausweiskopie hinschicken? Fragen über Fragen, wenn es um eine wirksame Umsetzung der Alterskennzeichnung geht. Und wenn jemand wirklich ein noch „verbotenes“ Buch kaufen möchte, gibt es auch noch ältere Freunde.

Ein weiterer Aspekt besteht darin, dass man gerade bei Kinder und Jugendlichen eine große Bandbreite bei der geistigen Reife hat. Nicht immer trifft eine Einstufung auch auf den Leser zu. Es gibt selbst einige Erwachsene, die manche Bücher nicht lesen wollen oder können. Während es der eine Leser also durchaus geistig verkraftet, dass Harry Potter und seine Freunde von einem dreiköpfigen Monsterhund verfolgt werden, könnte der nächste vielleicht schon ein echtes Albtraum-Problem bekommen. Allerdings kann ich mich persönlich nicht daran erinnern, jemals irgendein Problem gehabt zu haben. Und es müsste tatsächlich schon eine extreme Handlung sein, die zartbesaitete Gemüter aus der Bahn werfen kann. Was meint Ihr dazu?

Wir brauchen mehr Lese-Fachkräfte!

Glaubt man den Zahlen der UNESCO, dann werden jährlich knapp 1,8 Millionen Bücher weltweit veröffentlicht. Das sind gut 4.900 Bücher pro Tag. Deutschland steht auf Platz fünf der Länder mit den meisten Veröffentlichungen, mit über 93.000 Büchern im Jahr (ca. 255 pro Tag). Wer soll das bitte alles lesen und dann auch noch altersgemäß einordnen? Ich halte das für wenig praktikabel.

Jugendschutz bei Büchern ist nicht einfach. Selbst wenn jemand dies alles lesen könnte, wer entscheidet letztendlich über die Altersfreigabe? Das funktioniert ja noch nicht einmal so richtig bei Filmen. Wenn ich sehe, was man 12-Jährigen heute so alles zumutet (oder 18-Jährigen gerade nicht zumutet), stellt sich mir schon die Frage, wer da entschieden hat. Wie kann eine Kontrolle sinnvoll umgesetzt werden? Wird die dann nicht zu sehr vom Zeitgeist und einer eingebildeten notwendigen politischen Korrektheit beeinflusst? Ich denke schon.

Michael Ende: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, Thienemann Verlag

Mal ehrlich: In einem Land, in dem inzwischen Bücher in Neuauflagen umgeschrieben werden, weil sie als „nicht mehr zeitgemäß“ gelten (Stichwort: Südseekönig), vertraue ich persönlich auch keiner Institution und deren bisweilen willkürlichen Einstufung. Zum Schluss landet Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (ab 6 Jahren) noch auf dem Index, weil die Dampflok schädlich fürs Klima ist… und dann der arme Jim Knopf zusammen mit dem alten weißen Mann… das geht ja schon gar nicht!

Ich persönlich bin ja der Meinung, die bei Kindern beliebte Reihe Gregs Tagebuch (Lesealter 8 bis 11) sollte komplett erst ab 16 Jahren freigegeben sein. Allein schon um zu vermeiden, dass sich die lieben Kleinen die mitunter abfällige und beleidigende Sprache darin aneignen. Mein voller Ernst.

Jugendschutz bei Büchern: Was wäre vielleicht sinnvoll?

So viel auch gegen eine verbindliche Kennzeichnung spricht, es gibt doch manche gute Gründe. Man sollte Kinder und Jugendliche durchaus von zweifelhaften Rollenbildern, Rassismus, detailreichen pornografischen Beschreibungen und übertrieben großer Gewalt schützen. Das alles ist in guten Büchern nicht notwendig. Gute Autorinnen und Autoren erschaffen Spannung auch ohne das alles.

Jugendschutz bei Büchern ist meiner Meinung nach am besten umsetzbar, wenn es die Verlage eigenverantwortlich und dezentral tun und entsprechende Vermerke mit Aufklebern an den Büchern anbringen. Das könnte nach bestimmten Kriterien vom Lektorat in die Wege geleitet werden. Auch eine Altersempfehlung auf dem Buch wäre, gerade für jüngere Leserinnen und Leser, durchaus sinnvoll. Solche Empfehlungen können den Eltern eine Orientierung sein, wenn sie Bücher für den Nachwuchs aussuchen. Dies alles kann jedoch nur im begrenzten Umfang geschehen und wohl kaum bei allen 1,8 Millionen Neuerscheinungen weltweit erfolgen. Wenn nämlich der Südseekönig für die Bücher von seiner Insel das nicht festlegt, dann müssten auch wir Deutschen erstmal damit leben.

Die Eltern müssten sich ebenfalls stärker mit dem Lesestoff ihrer Kinder auseinandersetzen. Sonst wird auf vieles geachtet, aber bei Büchern ist man offenbar schon froh, wenn er/sie überhaupt liest. Egal, ob es was taugt oder nicht.
Um mal auf Gregs Tagebuch zurückzukommen: Der Humor in der Handlung entsteht zu weiten Teilen aus dem unterirdischen Niveau der Texte. Da braucht man sich nicht wundern, wenn die Kinder (nicht alle!) dann in ähnlicher Weise daherreden. Am modernen Satzbau (Subjekt, Prädikat, Beleidigung, Alter) scheint inzwischen wirklich was dran zu sein.

Mein Fazit zum Jugendschutz bei Büchern

So schön es auch klingen mag, Jugendschutz bei Büchern hat mit einiger Kritik zu kämpfen. Ich für meinen Teil halte eine Kennzeichnung wie bei Filmen und Videospielen nicht für sinnvoll. Die „sanfte“ Variante mit Altersempfehlungen finde ich da schon sinnvoller, um Käufern eine Orientierung zu geben. Alles andere wäre so schnell nicht praktikabel und ist letztendlich auch eine Kostenfrage.

Wie seht Ihr das? Schreibt mir gerne Eure Meinung zum Thema in die Kommentare.

Jay

4 Gedanken zu “Jugendschutz bei Büchern?

  1. Hey Jay,

    ich sehe das genauso wie du: eine Altersfreigabe für Bücher ist wohl einfach nicht umsetzbar und auch nicht sinnvoll! Dass eine solche Regelung eigentlich im April 2020 in Kraft treten sollte, habe ich bei meinen Recherchen auch gefunden. Da ich vor zwei Jahren aber keine Veränderung festgestellt habe und auch nirgends etwas über die tatsächliche Umsetzung des Gesetzesentwurfs finden konnte, bin ich mir nicht sicher, ob diese Regelung wirklich durchgekommen ist… Da müsste ich nochmal genauer nachlesen…

    Liebe Grüße
    Sophia

    PS: Ich kann deine Abneigung gegenüber „Gregs Tagebuch“ übrigens auch verstehen. Ich habe die Bücher als Teenie zwar auch gerne gelesen, finde aber auch, dass erstens die Sprache echt zu wünschen übrig lässt und zweitens eher fragwürdige Bilder von Freundschaft und Familie vermittelt werden (die Brüder untereinander verbindet ja wirklich NICHTS und Rupert wird ja eigentlich auch nur ausgenutzt).

    1. Hallo Sophia,

      was „Gregs Tagebuch“ betrifft, hast Du es sehr treffend ausgedrückt. „Fragwürdige Bilder von Freundschaft und Familie“ sind das, was mich beim Lesen auch gestört hat. Ich konnte es nur nicht ganz so gut in Worte fassen, wie Du. Ist es wirklich notwendig, diese „Werte“ zu vermitteln, nur im Hinblick auf gute Verkaufszahlen? Ich denke nicht. Vielleicht sollte ich die ganze Serie mal lesen, um einen umfassenderen Eindruck zu bekommen. Allerdings gibt es da eine Reihe anderer Bücher, denen ich meine knappe Zeit eher widmen würde.

      Liebe Grüße
      Jay

      1. Hey Jay,

        soweit ich mich recht erinnere ist „Gregs Tagebuch“ ja ursprünglich auch für eine erwachsene Zielgruppe gedacht gewesen und wurde vom Verlag nur aufgrund der einfachen Bilder, Texte und des lustigen Erzähltons für Jugendliche vermarktet. Ich denke, dass man, wenn man genau hinschaut die Parodie hinter dem Zynismus entdeckt, dazu muss man aber schon ein bisschen älter sein. Auf mich als Teenie hat die Reihe eher oberflächlich lustig gewirkt, aber einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Ich wäre auch mal gespannt, wie ich das heute sehen würde, aber wir haben ja in der heutigen Montagsfrage festgestellt, dass das mit den Reihen-Rereads gar nicht so einfach ist….

        Liebe Grüße
        Sophia

        1. Hallo Sophia,

          ich denke bei Gregs Tagebuch reicht es schon eines der Bücher zu lesen, um einen guten Eindruck zu gewinnen. Eher für Mädchen gibt es dann ja auch noch „Lotta Leben“, wobei ich von der Reihe noch nichts gelesen habe.
          Dass Gregs Tagebuch ursprünglich für Erwachsene gedacht war, wusste ich nicht. Es sollte damals aber schon klar gewesen sein, dass die jungen „Protagonisten“ und die witzigen Zeichnungen auch die jüngeren Zielgruppen ansprechen wird.

          Viele Grüße
          Jay

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