Das hier ist kein wundervoller Ort, wo Jungen spielen und Abenteuer erleben und für immer jung bleiben können. Es ist ein Schlachtfeld, und wir sind alle nur Soldaten in Peters Krieg.
Die Chroniken von Peter Pan – Albtraum im Nimmerland, Kapitel 12
Du glaubst, meine Geschichte zu kennen. Natürlich, jeder kennt meine Geschichte, sie wird wieder und wieder erzählt. Aber sie entspricht nicht der Wahrheit. Denn Peter Pan lügt. Peter wird euch erzählen, dass ich der Bösewicht in seiner Geschichte bin, dass ich ihm Unrecht getan habe, dass ich niemals sein Freund war. Aber wie ich schon sagte, Peter lügt. Dies ist, was wirklich geschehen ist: Ich bin Peter Pan auf seine Insel gefolgt, weil er mir ewige Kindheit und unendlichen Spaß versprochen hat. Ich war sein erster und bester Freund auf der ganzen Welt und seine rechte Hand.
Aber Peters Verständnis von Spaß ist so gefährlich wie ein Piratensäbel, und als ich das erkannte, wurde Nimmerland für mich zum Albtraum. (Quelle: Penhaligon)
Titel: Die Chroniken von Peter Pan – Albtraum im Nimmerland (Lost Boy: The True Story Of Captain Hook) Autorin: Christina Henry Reihe: Die Dunklen Chroniken, #4 Verlag: Penhaligon (Berkley, NY) Seitenzahl: 368 Erste Auflage: 28. Juni 2021 (04.07.2017) Ausgaben: Hardcover, E-Book ISBN: 978-3764532369 (HC) Sonstiges: Karte der Insel Nimmerland
Über die Autorin Christina Henry
Christina Henry, geboren am 13. August 1974, ist eine US-amerikanische Autorin für Horror und Dark Fantasy Romane. Ihr wirklicher Name lautet Tina Raffaele, ihr Pseudonym ist eine Zusammensetzung ihres Vornamens mit den Vornamen ihres Ehemanns (Chris) und ihres Sohnes (Henry). Mit ihrer Familie lebt sie in Chicago im US-Bundesstaat Illinois. Durch ihre Bestsellerreihe Black Wings wurde sie in den USA bekannt. Ebenso erfreuen sich ihre Horror-Neuerzählungen klassischer Kinderwerke (z. B. Peter Pan, Alice im Wunderland, Die kleine Meerjungfrau und Rotkäppchen) großer Beliebtheit bei den Lesern. Christina Henry mag Langstreckenläufe, sie liest viel und sieht gerne Samurai- und Zombiefilme.
Meine Meinung zu Die Chroniken von Peter Pan – Albtraum in Nimmerland
Mir sind Die Chroniken von Peter Pan von Christina Henry in den letzten Monaten öfter in den Buchhandlungen aufgefallen. Das deutsche Cover macht auf den ersten Blick nicht den Eindruck einer Horrorgeschichte und könnte auch vom bekannten Klassiker von James M. Barry sein. Beim genaueren Hinsehen nach der Lektüre des Covertextes wird aber schnell klar, dass es sich um eine düstere Neuerzählung handelt. Im Falle von Peter Pan ist dies keineswegs neu. Schon der Autor Gerald Brom hat 2010 eine eher dunkle Nacherzählung des Peter-Pan-Klassikers unter dem Titel Der Kinderdieb veröffentlicht.
Ich habe mir Die Chroniken von Peter Pan – Albtraum im Nimmerland schließlich über meine Onleihe besorgen können und es während meines Klinikaufenthalts in Bogenhausen gelesen.
Charismatische, facettenreiche Charaktere
Christina Henry gibt sich viel Mühe, verschiedene Stärken und Schwächen ihrer Charaktere im Laufe der Handlung aufzuzeigen. Eine Gruppe von Jungen, die unter der Führung von Peter Pan auf dessen Insel Nimmerland Abenteuer erleben und dabei tun und lassen können, was sie wollen. Das klingt zunächst alles sehr romantisch und ist es auch, solange sie alle das tun, was Peter Pan sich an Abenteuern ausdenkt. Er ist nämlich der Antagonist in der Handlung. Ein Elfjähriger, der immer Kind und nie erwachsen sein möchte und der auf seiner Insel seine eigenen Regeln aufstellt. Er will immer der beste sein, der große Held und Anführer, zu dem alle aufschauen. Gleichzeitig, und das ist das Problem, ist ihm das Schicksal seiner Jungenbande völlig egal. Es interessiert ihn nicht, ob sie leiden oder während der Kämpfe untereinander oder gegen Piraten sterben.
Ich ertrug es nicht mehr, dass Peter so abfällig über die Jungen sprach, die gestorben waren. Sie hatten ihn geliebt. (…) es war so gewesen, und ihm war es vollkommen egal, was mit ihnen passierte.
Jamie über Peter Pan, Die Chroniken von Peter Pan – Albtraum im Nimmerland, Kapitel 9
Christina Henrys Peter Pan ist ein überaus charismatischer Egoist in Reinkultur, der nur nach seinem Willen lebt und den eigenen Begehrlichkeiten nachgeht. Er fordert Aufmerksamkeit von jedem zu jederzeit und sollte in der Gruppe einer beliebter werden als er… wird er ihn los. Peter geht über Leichen geht, nur um für alle im Mittelpunkt zu stehen.
Im englischen Original heißt das Buch Lost Boy: The True Story of Captain Hook. Obwohl sich in der Geschichte vieles um Peter dreht, wird sie doch aus Jamies Perspektive erzählt. Er ist Peters bester Freund und erstes “Opfer“, den er zu sich nach Nimmerland lockt. Er wird zum später gefürchteten Captain Hook und ist im Buch doch das Gegenteil von Peter Pan. Fürsorglich, hilfsbereit und voller Sorgen um die Jungen, wenn die Bande Peter in ein weiteres lebensgefährliches Abenteuer folgt. Er ist der wahre Held der Geschichte und Christina Henry versteht es gut die beiden gegensätzlichen Charaktere darzustellen. Jamie, der den Kindern wie ein Vater ist und sich kümmert, gegen Peter Pan, dem nur das eigene Vergnügen wichtig ist.
Die Autorin wendet den Blick der Leserinnen und Leser auf die klassische Geschichte über Peter Pan um 180 Grad und sie schafft dies mit einiger Glaubwürdigkeit. Oder wie ein anderer Rezensent schrieb: „Nach diesem Buch werden Sie Peter Pan höchstwahrscheinlich hassen.“ Ich stimme zu.
Natürlich gibt es in dem Buch auch noch weitere interessante Personen, auf die ich hier nicht näher eingehe, um nicht zu viel zu verraten. Erwähnen will ich nur den 5-jährigen Charlie, der Peter gleich in mehrfacher Hinsicht ein Dorn im Auge ist.
Blut, Gewalt und das Ende
Christina Henry schreibt unkompliziert in kurzen Sätzen. Ihr Buch Die Chroniken von Peter Pan – Albtraum im Nimmerland lässt sich zügig weglesen und wäre vom Schreibstil her auch für jüngere Leserinnen und Leser geeignet, wären da nicht einige Darstellungen von Gewalt. Erwachsene Leser, die Dark Fantasy und Horror lesen, würden daran jetzt nichts Besonderes finden. Allerdings gehen in dem Buch Kinder auf Kinder los (und Peter Pan schaut meist interessiert zu). Bei seiner “Bande“ handelt es sich nämlich keineswegs um eine in ewiger Freundschaft verbundene, eingeschworene Gemeinschaft. Kämpfe, Streit und Verletzungen sind an der Tagesordnung. Zwar schneiden sie sich (in der Regel) nicht gleich die Kehlen durch, aber es brechen schon mal Wangenknochen und Nasen. Blut fließt jedenfalls genug, sodass es jüngere Leserinnen und Leser verstören könnte. Seid gewarnt
Der rote Nebel rauschte durch mein Blut, und ich wollte seine Augenlieder zurückschälen und ihm die Augäpfel rausdrücken.
Die Chroniken von Peter Pan – Albtraum im Nimmerland, Kapitel 3
Interessant fand ich, dass mir diese Gewaltdarstellungen und -gedanken beim Lesen keineswegs übertrieben vorkamen. Sie waren durchaus glaubhaft. Christina Henry versteht es nämlich Feindbilder aufzubauen, die Gewaltbereitschaft bei den Kindern rechtfertigen könnten. Wer William Goldings Klassiker Herr der Fliegen kennt und gelesen hat, weiß, wozu Kinder fähig sein können, wenn es keine Erwachsenen gibt, die Regeln aufstellen oder einschreiten (wobei Erwachsene an Grausamkeit und Gewalt Kinder oftmals noch leicht übertreffen).
Das Ende des Buchs ist passend zur bekannten Geschichte. Er muss auch so sein, denn schließlich ist es Captain Hook, der erzählt hat. Es ist seine Darstellung der Ereignisse um Peter Pan. Eine Gegendarstellung. Nun müssen die Leserinnen und Leser entscheiden, welcher von beiden sie glauben wollen und wie Peter Pan wirklich ist.
Mein Fazit zu Die Chroniken von Peter Pan
Trotz geringer Anlaufschwierigkeiten bis ich in die Story fand, hat mir Christina Henrys Buch gut gefallen. Ein bisschen hat es mich an Herr der Fliegen erinnert (Kinder kämpfen auf einer Insel ums Überleben), allerdings ist es von Goldings weltbekannten Klassiker doch weit entfernt. Henry macht aus einem Kinderbuch-Klassiker ein spannendes, düsteres Werk mit reichlich Blut und Gewalt, das bis zur letzten Seite die Spannung hält. Für Leute mit schwachen Nerven könnte es erschreckend sein. Wer düstere Geschichten mag, sollte es lesen.
Hi Jay,
ich hatte ja den ersten Band gelesen, also Alice, der mir eigentlich ganz gut gefallen hatte. Bis dann Band 2 rauskam hab ich aber ein bisschen das Interesse verloren gehabt.
Über Peter Pan und die kleine Meerjungfrau hab ich jetzt aber mittlerweile einige Rezensionen gelesen, die mein Interesse wieder geweckt haben 🙂 Ich werde diese beiden auf jeden Fall noch ausprobieren und bin gespannt, wie sie es umgesetzt hat. Es klingt auf jeden Fall spannend!
Liebste Grüße, Aleshanee
Hallo Aleshanee,
Alice habe ich bisher noch nicht gelesen, ich werde es aber mal auf meinem SuB legen, falls ich es in der Onleihe finde. Ich habe vor einiger Zeit mal „Der Kinderdieb“ von Brom gelesen, der ebenfalls die Peter Pan Geschichte aus einer eher negativen Sicht erzählt. Das Buch ist durchaus lesenswert, insbesondere, wenn man Brom mal mit Henry vergleichen möchte.
Liebe Grüße
Jay
Hallo Jay,
ich bin kein Fan von Jugendliteratur, ich habe mal eine Reihe angefangen, die war aber so grottenschlecht, dass ich noch nicht mal den ersten Teil durchgelesen habe. Ich weiß auch nicht mehr, welcher Autor das verbrochen hat…
Alles Gute und 100 % Genesung wünsche ich Dir. Vielleicht kannst Du ja ein paar detailliertere Infos bez. Deiner Operation preisgeben, wenn es nicht zu intim ist…
Viele Grüße
Wolfram
Hallo Wolfram,
ja, ich lese auch nicht alles, was mir da vorgesetzt wird. Manche Bücher interessieren mich jedoch schon und ich suche auch immer wieder guten Lesestoff für meine Schüler und die Schulbücherei.
Die Operation ist gut verlaufen. Ich hatte eine Bypass-OP. Da ich jedoch relativ gesund lebe, ist/war mein Herzproblem wohl eher genetisch bestimmt, sagen die Ärzte. Herzprobleme liegen bei mir in der Familie. Faszinierend ist für mich, mit welcher hohen Professionalität solche doch recht großen Operationen heutzutage durchgeführt werden und dass man, bei guten Werten, schon nach wenigen Tagen aus dem KH nach Hause kann. Ich hoffe, es war die erste und die letzte OP für mich in dieser Form.
Viele Grüße
Jay
Es gibt aber dennoch viele richtig gute Geschichten bei den Jugendbüchern! Ich lese sie zwar auch nicht mehr so oft, aber dennoch gibts da einiges, was sich wirklich lohnt 🙂
Ja, das stimmt. Ich lese sie immer wieder gerne und überlege mir immer, ob es solche fantasiereichen Geschichten für junge Leser auch vor 40 Jahren schon gegeben hat. Diesbezüglich hat sich im Genre einiges getan und es sind oft Bücher dabei, die ich als Kind sicher gerne gelesen hätte, hätte es sie damals schon gegeben.
Liebe Grüße
Jay