28. April 2024

The Haven: Im Untergrund von Simon Lelic

Simon Lelic: The Haven (Im Untergrund), Taschenbuch, Loewe Verlag, 2020.

Unter den Straßen Londons liegt er verborgen, versteckt vor den Augen der Erwachsenen: The Haven. Ein geheimer Zufluchtsort für Flüchtlingskinder, Straßenkids und Waisen – wie Ollie.
Gerade noch war Ollies Leben vollkommen normal und plötzlich ist er Teil der geheimen Untergrundorganisation Haven. Innerhalb von 24 Stunden muss er gemeinsam mit dem Ermittlungsteam den Sohn des berüchtigten Gangchefs Danny Hunter finden – oder einer von ihnen wird sterben.
Ein turbulentes Rennen gegen die Zeit beginnt, doch je näher Ollie und seine Freunde ihrem Ziel kommen, desto klarer wird ihnen, dass noch eine weitaus größere Bedrohung auf sie wartet.
(Klappentext, The Haven – Im Untergrund)

Titel: The Haven: Im Untergrund (The Haven) Autor: Simon Lelic Verlag: Loewe (Hodder Children’s Books) Reihe: The Haven, #1 Seitenzahl: 304 (304) Genre: Jugendbuch Alter: 12+ Erste Aufl.: 15. Januar 2020 (7. Februar 2019) Ausgaben: Taschenbuch, E-Book ISBN: 978-3743205505 (TB), 978-1444947601 (ENG TB) Folgeband: The Haven: Revolution (ab Sommer 2020)

Über den Autor von The Haven

Simon Lelic wurde 1976 in Brighton (England) geboren. Nachdem er 10 Jahre in London gelebt hatte, kehrte er mit seiner Ehefrau, zwei Söhnen und einer Tochter nach Brighton zurück. Er studierte Geschichte und Journalismus an der Universität von Exeter und besitzt ein Logistik-Unternehmen für Import und Export. Als Schriftsteller bekannt wurde er mit seinem Debütroman Ein toter Lehrer (Rupture).

Meine Meinung zu The Haven: Im Untergrund

Der Autor Simon Lelic war mir schon durch seinen Roman Ein toter Lehrer ein Begriff. Über The Haven bin ich während eines Streifzugs durch verschiedene Bücherblogs gestolpert. Cover und Klappentext haben mein Interesse geweckt, also war es nur ein kleiner Schritt, das Buch auf meinen SuB zu legen.
Die Idee hinter The Haven fand ich eigentlich recht spannend. Ein geheimer Zufluchtsort für minderjährige Flüchtlinge, Waisen und Straßenkinder unter meiner Lieblings-Großstadt London. Ein Ort geführt von Kindern und Jugendlichen für Kinder und Jugendliche, die dort sogar eine schulische Ausbildung bekommen. Obwohl die Idee faszinierend ist, denke ich nicht, dass es so einfach wäre, wie es sich im Buch darstellt. Der Ort muss nicht nur geheim gehalten werden, auch die Verpflegung und Betreuung der über 120 Kinder und Jugendlichen über Jahre hinweg wäre eine logistische Meisterleistung. Viele dieser Fragen werden in Simon Lelics Buch leider nicht beantwortet. Wenn man sich also darüber Gedanken macht, wird man schnell zu dem Schluss kommen, dass es… ziemlich schwierig ist und eher nicht funktionieren würde. Das sage ich jedoch als erwachsener Leser und ich denke mal, dass sich vor allem junge Leserinnen und Leser über diese Probleme im Haven wenig Gedanken machen werden. Also lasse ich es mal außen vor und beschränke mich auf die Handlung und die Charaktere.

Simon Lelic: The Haven, Taschenbuch, Hodder Children's Books, 2019
Simon Lelic: The Haven, Engl. Taschenbuchausgabe, 2019

Was man dem Buch sicherlich nicht absprechen kann, sind Spannung und Action. Es beginnt schon in den ersten Sätzen des Buches mit der brutalen Verschleppung von Ollie Turner, einer Hauptperson des Buches, und seiner Ziehmutter durch maskierte Männer mitten in der Nacht. Von da an passiert eigentlich ständig irgendetwas, weshalb ich nicht behaupten kann, es wäre zu irgendeinem Zeitpunkt langweilig gewesen. In The Haven jagt ein Ereignis das nächste, was es durchaus zu einer kurzweiligen Lektüre macht. Der rote Faden der Handlung wird schnell klar: Bekämpfe die Bösen, rette deine Freunde und die ganze Stadt, bleibe am Leben. Simon Lelic setzt die Geschichte auch konsequent um und fesselt seine jungen Leserinnen und Leser von der ersten bis zur letzten Seite. Gut gemacht.

Die Hauptpersonen der Geschichte sind in erster Linie Jugendliche, wobei sowohl Jungs als auch Mädchen gleichermaßen stark vertreten sind. Was mich ein wenig gestört hat, war die Leichtigkeit, mit der Simon Lelic mögliche Probleme im Haven löste. Für die verschiedensten Aufgaben gibt es Kinder und Jugendliche, die sich als Experten darum kümmern und für jedes Problem eine funktionierende Lösung parat haben. Ich fand das ein wenig unrealistisch. Allerdings könnte man darüber hinwegsehen, denn es ist ein Jugendbuch, das vor allem unterhalten soll und es könnte ja wirklich so sein. Leider konnte ich mich aber in die Personen nicht sonderlich gut hineinversetzen. Für mich waren sie zu oberflächlich und in weiten Teilen einfach nur uninteressant, als dass ich zu ihnen hätte eine Beziehung aufbauen können und wollen. Der Autor gibt leider recht wenige Einblicke in das Gefühlsleben seiner Protagonisten und ihre Beweggründe waren mir oft nicht so recht klar. Für mich steht und fällt ein Buch jedoch vor allem mit den Charakteren. Hinzu kamen eine ganze Reihe von Klischees, die bedient werden. Die „Computerexpertin“ sitzt im Rollstuhl und hat lieber mit Maschinen zu tun, als mit Menschen. Die Hauptperson verlor seine Eltern bei einem Terroranschlag. Der verwegene Anführer im Haven hat natürlich eine Narbe quer übers Gesicht. Irgendwie gibt es in dem Buch kaum „normale“ Jugendliche. Aber gut, es ist ein Jugendbuch. Ist halt so.

Was mich jedoch absolut nicht überzeugen konnte, waren die Beweggründe von Maddy Sikes, der bösen Gegenspielerin im Buch. Ich will dazu nicht allzu viel schreiben, da es ein großer Spoiler wäre. Nur so viel, dass mir selten eine abwegigere Intention für die Taten einer Antagonistin begegnet ist (und ich habe viele Bücher gelesen). Gut, sie wird als Wahnsinnige dargestellt, die den Tod verehrt und gerne Leichen zählt. Dennoch kommt sie dermaßen klischebehaftet und unglaubwürdig rüber und ihre Ambitionen sind schlichtweg so nicht umsetzbar. Sie ist als Charakter nicht glaubwürdig und ihr fehlt zudem ein wenig Genialität eines Ernst Stavro Blofeld (dem großen Gegenspieler von James Bond), um bei mir überhaupt als Antagonistin zu punkten. Deshalb bleibt die Handlung von The Haven für mich zum großen Teil oberflächlich, ohne allzu viel Tiefgang. Leichte Unterhaltung eben.

Was gar nicht geht, sind grobe Logikfehler und Falschinformationen. Maddy Sikes besitzt einen sibirischen Husky, den sie gerne auf andere (selbst auf eigene Mitarbeiter) hetzt und der einem Kampfhund alle Ehre macht, indem er seine Opfer grausam zerfleischt und tötet. Eigentlich ganz spannend, allerdings widerspricht das völlig dem Wesen eines Huskys, der sich in der Regel nicht einmal als Wachhund eignet, geschweige denn als blutrünstiger Kampfhund. Ich bin der Meinung, selbst bei einem Jugendbuch kann man eine saubere Recherche des Autors erwarten und dass nicht einfach Dinge in die Welt gesetzt werden, die schlichtweg falsch sind. Hinzu kommen eine ganze Reihe logischer Fehler, die mehr als auffällig sind. Wenn sich ein Kampfhund-Husky in das Fußgelenk eines Jungen verbeißt und nur nach heftigster Gegenwehr wieder ablässt, dann rennt dieser Junge nur wenige Stunden später ganz bestimmt nicht mehr fröhlich in U-Bahn-Tunneln vor Zügen davon. Er muss froh sein, dass er halbwegs noch laufen kann. Solche Fehler gibt es leider immer wieder und sie machen die Geschichte nicht besser.

Der Schluss des Buches war OK und gibt genug Anlass für eine Fortsetzung. Ich bin mir noch nicht schlüssig, ob ich sie lesen werde. Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Mein Fazit

3 von 5 Sternen „Gute Ideen, allerdings mit logischen Fehlern.“

Ich bin mir relativ sicher, dass The Haven (Im Untergrund) jüngeren Leserinnen und Lesern gefallen könnte, da es wirklich eine spannende und aktionsgeladene Handlung hat, die einem gleich von der ersten Seite an fesselt. Für ältere Leser wie mich, die auch mal gerne Jugendbücher in die Hand nehmen, ist die Handlung jedoch nicht sonderlich tief gehend, die Charaktere sind zu blass und oberflächlich und bisweilen auch unglaubwürdig. Logische Fehler sollten jedoch generell nicht sein, egal welches Alter man hat. Hier müsste der Autor noch mehr darauf achten.

An dieser Stelle möchte ich mich noch recht herzlich beim Loewe Verlag für das Rezensionsexemplar bedanken.

Jay

2 Gedanken zu “The Haven: Im Untergrund von Simon Lelic

  1. Hallo Jay,

    im Londoner Untergrund. Das erinnert mich an das Stille Volk in der Flüsse von London Reihe von Ben Aaronovitch.
    Kennst Du die Reihe? Kann ich nur empfehlen.
    Solche Logikfehler, wie Du sie beschreibst, finde ich immer anstrengend zu lesen. Außer es gibt in den Büchern Magie, dadurch lässt sich vieles „möglich“ machen. 😉

    Liebe Grüße
    Rabi

    1. Hallo Rabi,

      ja, ich kenne die Reihe von Ben Aaronovitch. Ich habe „Die Flüsse von London“ vor einigen Jahren gelesen, allerdings hat mich das Buch damals nicht überzeugt. Ich habe jedoch die komplette Reihe als englische Hardcover im Regal stehen, weil ich ein großer London-Fan bin und mir die Cover so gut gefallen. Ich habe mir auch vorgenommen die ganze Reihe mal zu lesen und auch dem ersten Buch nochmal eine Chance zu geben. Die Bücher sind ja ziemlich gefragt.
      Du hast recht mit deiner Aussage. Bücher mit logischen Fehlern sind anstrengend, denn es passt irgendwie nicht zusammen. Hauptkritikpunkt war für mich aber auch die seltsamen Intentionen von Maddy Sikes als Antagonistin, die in keinster Weise glaubwürdig herüberkamen. Danke für dein Feedback.

      Liebe Grüße
      Jay

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