19. März 2024

Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr von Leon Garfield

Leon Garfield: Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr, Hardcover, Bertelsmann, ca. 1980

Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr erzählt die Geschichte des zwölfjährigen William, der das Schuldgeständnis des sterbenden Vaters, verbunden mit der Übergabe einer goldenen Taschenuhr nicht vergessen kann. William ist entschlossen, die Schuld seines Vaters zu sühnen, und folgt einer durch die Uhr gegebenen Spur in ein elendes Stadtviertel in London. Hier gerät er nicht nur in ein Gewirr finsterer Gässchen, sondern auch in die Verstrickungen zwielichtiger Rechtsanwälte, Diebe und verkommener Gassenjungen – doch er gewinnt dabei einen echten Freund. (Klappentext, dtv-Taschenbuchausgabe)

Titel: Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr (engl.: John Diamond) Autor: Leon Garfield Verlag: dtv junior (u. a.) Seitenzahl: 191 Genre: Kinder-/Jugendbuch Alter: 9+ Erste Aufl.: 1982 (1980) Ausgaben: Hardcover (Bertelsmann), Taschenbuch (dtv, Boje) ISBN-10: 3-423-70077-7 (TB) Sonstiges: Im Innenteil gelungene einfarbige Illustrationen von Antony Maitland, derzeit leider nur antiquarisch erhältlich

Über den Autor Leon Garfield

Bildquelle: Discogs.com

Leon Garfield wurde am 14. Juli 1921 in Brighton (England) geboren und studierte zunächst an der Kunstakademie in London (später als „University of Westminster“ bekannt), bevor der Zweite Weltkrieg begann. Er war zweimal verheiratet. Seine zweite Frau, Vivien Alcock, die später eine bekannte Kinderbuchautorin wurde, heiratete er 1948. Sie hatte großen Einfluss auf Leon Garfields Schreiben und machte ihm immer wieder Vorschläge. Erst in den 1960er Jahren war Leon Garfield erfolgreich genug, um sich dem Beruf als Schriftsteller in Vollzeit zu widmen. Er lebte bis zu seinem Tod am 02. Juni 1996 mit seiner Frau und einer Tochter in Highgate im Norden Londons. Viele seiner Bücher wurden in England mit Preisen ausgezeichnet. Für den Christian-Andersen-Preis wurde er 1981 nominiert, ebenso 1982 für die Liste der besten britischen Autoren. Leon Garfields Jugendbuch Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr ist leider im Moment nur antiquarisch erhältlich.

Meine Meinung zu Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr

Ach, ich weiß schon gar nicht mehr genau, wann ich Garfields Buch Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr in den 80er Jahren zum ersten Mal gelesen habe. Ich weiß nur, dass ich sehr jung war, wahrscheinlich so in der zweiten oder dritten Klasse. Ich hatte damals die Hardcover-Ausgabe von Bertelsmann (Bild oben) geschenkt bekommen und ich weiß auch noch, dass mir die Geschichte schon damals recht gut gefallen hat. Daher kann ich mich auch noch gut an den Titel erinnern. Irgendwo auf dem Dachboden muss ich die Hardcover-Ausgabe sicher noch haben.

Ich achte keinen, nein, nicht ich; und keiner achtet mich!

Leon Garfield: Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr, dtv Taschenbuch, Seite 72.

Als mir dann irgendwann vor ein paar Jahren in bei einem öffentlichen Bücherschrank eine kleine, dünne Taschenbuchausgabe (Cover rechts) in die Hände fiel, habe ich die gleich mitgenommen. Dann stand das Buch aus meiner Kindheit längere Zeit in meinem Regal bis ich die Geschichte jetzt abermals gelesen habe – nach fast 40 Jahren. Ich muss sagen, sie hat nicht sonderlich viel von ihrem Reiz verloren, auch wenn ich manche Wendungen inzwischen vielleicht etwas kritischer sehe, als zur damaligen Zeit. Jedoch glaube ich, dass es für junge Leser immer noch ein tolles Buch ist. Da es sich um ein Kinder- und Jugendbuch handelt, hat es zudem eine vergleichsweise geringe Seitenzahl, doch die Handlung hat mir auch als Erwachsener noch gut gefallen.

Auf den Spuren von Charles Dickens

Wenn man Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr liest und vorher schon Bücher von Charles Dickens gelesen hat, zum Beispiel Oliver Twist, dann merkt man schnell den Einfluss des großen Autors auf Leon Garfields Werk. Ein Großteil der Geschichte spielt in den dunklen Gassen Londons im 19. Jahrhundert und ist somit schon sehr nahe an der Stimmung in Charles Dickens‘ Büchern. Mich hat diese Zeit schon immer fasziniert, noch dazu, weil ich London sehr gerne mag, ich schon öfter dort war und ich mich daher auch ein wenig in der Stadt auskenne. Mir hat gut gefallen, wie Leon Garfield schon von den ersten Seiten an eine geheimnisvolle Stimmung aufzubauen versucht, die es einem nicht schwer macht noch ein weiteres Kapitel zu lesen und dann noch eines, ohne zu merken, wie die Zeit verfliegt. Williams‘ Suche nach Antworten in den verkommenen Stadtvierteln und Straßen der (schon damals) Großstadt, ist wie eine Reise in eine neue, unbekannte Welt für den 12-jährigen Jungen. Er war vorher noch nie in London, weiß nichts von den Gefahren der Stadt und wie er dort überhaupt den ehemaligen Geschäftspartner seines verstorbenen Vaters finden soll. Dennoch geht er das Wagnis ein und nimmt den Leser mit auf seine Reise in diese dunkle, aber auch faszinierende Welt.

Interessante Charaktere bevölkern Londons verwinkelte Gassen

Leon Garfield: Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr
William und Schuß-im-Kopf über den Dächern Londons
Zeichnung von Reinhard Michl

Hauptperson der Geschichte ist der junge William, der wohlbehütet und im Wohlstand in Hertford aufwächst, einer kleinen Stadt etwa 20 Kilometer nördlich von London. Der Vater ist streng mit ihm, dennoch lieben ihn die Eltern und seine Geschwister. Als sein Vater zu Beginn des Buches stirbt und sein Onkel zu ihnen in das Haus zieht, ein schrecklicher Mensch, der mich ein wenig an Vernon Dursley in den Harry-Potter-Büchern erinnerte, wird das Leben für William nicht leichter. Sein Vater hat schwere Schuld auf sich geladen, was er gerne aus der Welt schaffen möchte, und somit schleicht er sich aus dem Haus und macht sich alleine auf den Weg nach London, wo er eine Vielzahl neuer Leute kennenlernt, die ihm nicht alle immer gut gesonnen sind. Die Zahl der Personen ist relativ überschaubar. Zu den wichtigen Charakteren zählt zum Beispiel der kleinwüchsige Mr. Seed, der sich seine Dienste von William gerne bezahlen lässt, aber dennoch einen weichen Kern unter der rauen Schale verbirgt. Oder auch der geheimnisvolle Mr. Robinson, der sich zusammen mit William auf die Suche nach John Diamond macht, damit William die Schuld seines verstorbenen Vaters bei ihm begleichen kann. Der zwielichtige Anwalt Mr. K’Nee ist für den Leser ebenso schwer zu durchschauen, wie dessen Sekretär Mr. Jenkins, der gerne bereit ist William zu helfen… doch ohne Gegenleistung? Man weiß es nicht. Eine besondere Rolle nimmt noch der Gassenjunge mit dem ungewöhnlichen Namen „Schuß-im-Kopf“ ein, doch zu ihm will ich nichts weiter verraten. Lest selbst.

Insgesamt haben mir die Charaktere recht gut gefallen. William handelt manchmal etwas unbeholfen und naiv, was jedoch verständlich ist für einen 12-Jährigen, der wohlbehütet aufgewachsen ist und von der großen weiten Welt noch sehr wenig weiß. Man kann ihm seine Naivität daher nicht vorwerfen. Ich fand sie, im Gegenteil, recht gut beschrieben und passend für die Geschichte.

Ein guter Schluss – nicht optimal, aber gut

Ob und wie William das Ziel seiner Reise erreicht, will ich hier nicht verraten. Ich fand die Auflösung des Rätsels der zerbrochenen Uhr, na ja, fast etwas zu einfach gestrickt. Ich hätte mir hier mehr erwartet. Ein bisschen mehr Genialität und ein Ende, das die großen Gefahren der Reise tatsächlich rechtfertigt, denen William in London ausgesetzt war. Lebensgefährlich spannend war es abschnittsweise schon, das Ergebnis allerdings ernüchternd. Dafür gibt es einen großen Showdown in den letzten Kapiteln und ein Ende, das einem zu Herzen geht (im positiven Sinne). Das war wiederum gut und es ist mir auch fast 40 Jahre in Erinnerung geblieben.

Mein Fazit zu Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr

4 von 5 Sternen „Ein spannender Kinderroman.“

Sowohl als Kind, als auch als Erwachsener hat mir das Buch von Leon Garfield sehr gut gefallen. Die Geschichte ist eine ausgewogene Mischung aus Abenteuer, Freundschaft und Liebe zwischen Vater und Sohn, die sogar in zweifacher Hinsicht zum Tragen kommt. Mit einem Umfang von unter 200 Seiten würde sich das Buch auch gut als Schullektüre eignen, allerdings ist es seit vielen Jahren leider nur noch antiquarisch/gebraucht erhältlich.

Vergleicht man den Schreibstil des Autors mit dem aktueller Kinder- und Jugendbuchautoren, dann merkt man der Geschichte schon ihr Alter an. Im Vergleich zu aktionsgeladenen Büchern heutiger Zeit wirkt Das Geheimnis der zerbrochenen Uhr schon ein wenig bieder und auch unspektakulär. Ich kann mir vorstellen, dass es vor allem junge Leser bis 10/11 Jahre noch begeistern kann (so wie es damals bei mir war). Aktuellen Jugendbuchserien kann Garfields Buch im Hinblick auf Dynamik und Vielschichtigkeit der Handlung nicht mehr ganz das Wasser reichen. Dafür gibt es einen kleinen Einblick in die Lebensverhältnisse in London gegen Ende des 19. Jahrhunderts und erzählt eine tolle Geschichte über Verlust, Liebe und Freundschaft. Lesenswert!

Jay

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