29. April 2024

Shelter von Ursula Poznanski

Ursula Poznanski: Shelter, Hardcover, Loewe Verlag, Oktober 2021

Die Idee war völlig verrückt und sie wären niemals darauf gekommen, wenn die Party nicht so aus dem Ruder gelaufen wäre. Aus einer Katerlaune heraus erfinden Benny und seine Freunde eine irre Geschichte über außerirdische Besucher und verbreiten sie im Internet. Gespannt wartet die Clique ab, was passiert. Zu ihrer eigenen Überraschung nehmen immer mehr Menschen die Sache für bare Münze und Bennys Versuche, alles aufzuklären, bringen ihn schon bald in Lebensgefahr. Was, wenn du dir eine völlig absurde Geschichte ausdenkst, sie zum Spaß in die Welt setzt und plötzlich glauben alle daran?

Ein schockierender Thriller über einen Streich, der zur verwirrenden Realität wird. (Klappentext, Shelter)

Titel: Shelter Autorin: Ursula Poznanski Verlag: Loewe Seitenzahl: 432 Genre: Jugendthriller Alter: 14+ Erste Aufl.: 13. Oktober 2021 Ausgaben: Hardcover, E-Book, Hörbuch ISBN: ‎978-3743200517 (HC) Sonstiges: Lesebändchen

Über Shelter und die Autorin

Ursula Poznanski, geboren in Wien, studierte sich einmal quer durch das Angebot der dortigen Universität, bevor sie nach zehn Jahren die Hoffnung auf einen Abschluss begrub und sich als Medienjournalistin dem Ernst des Lebens stellte. Nach der Geburt ihres Sohnes begann sie Kinderbücher zu schreiben. Ihr Jugendbuchdebüt Erebos erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis) und machte die Autorin international bekannt.

Ihre Bücher, wie Shelter, sind regelmäßig auf den oberen Plätzen der Spiegel-Bestsellerliste zu finden und werden in den Feuilletons namhafter Zeitungen und auf den Kulturseiten im Netz besprochen. Inzwischen ist sie eine der erfolgreichsten Jugendbuchautorinnen im deutschsprachigen Raum und schreibt zudem Thriller-Bestseller für Erwachsene. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien. Shelter ist ihr inzwischen zwölfter Jugendroman.

Meine Meinung zu Shelter – das Cover

Nach einer halbjährigen Lesepause ist Shelter von Ursula Poznanski endlich mein Wiedereinstieg ins Lesen und Bloggen. Ich habe das Buch und die Autorin gewählt, weil ich mir nach meiner langen Leseflaute ziemlich sicher war, dass es mir gefallen könnte. Poznanskis Jugendthriller sind spannend, durchdacht und oft nur schwer beiseite zu legen.
Shelter ist, wie auch die Vorgänger Cryptos (2020), ein Hardcover im wirklich schönen Design. Ich mag Bücher mit festem Umschlag, da sie sich wertiger anfühlen und weniger anfällig für Knicke und abgestoßene Kanten und Ecken sind. Ich bin daher froh, dass sich der Loewe Verlag auch diesmal für einen festen Einband entschieden hat. Die Farbkombination finde ich interessant und auch ein bisschen mystisch, was gut zum Inhalt des Buches passt. Es handelt sich um einen Folientiefdruck, das heißt Teile wie das OC sind gepägt und spürbar, wenn man mit der Hand über das Cover fährt. Wie bereits erwähnt, macht das einen wertigen Eindruck. Wichtiger ist natürlich der Inhalt. Kann die Handlung mit dem schönen Cover mithalten?

Über den Einfluss von Verschwörungstheorien

Ursula Poznanski: Cryptos, Loewe Verlag, 2020.

Ursula Poznanskis Jugendbücher greifen immer wieder aktuelle gesellschaftliche Themen auf, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen bewegen. Ging es in Cryptos noch um Klimawandel und virtuelle Realitäten (übrigens ein sehr empfehlenswertes Buch), so beschäftigt sie sich in Shelter mit den Gefahren und dem Einfluss von Verschwörungstheorien auf Mensch und Gesellschaft. Ein brandaktuelles Thema, das in den vergangenen Jahren auch durch Corona immer mehr in den Fokus der Medien gerückt ist und dabei nicht selten Anlass für heftige verbale Auseinandersetzungen in den sozialen Medien bietet. Doch wie können solche Theorien entstehen und welche Eigendynamik können sie entfalten? Inwiefern können Verschwörungstheorien auch für eine Gesellschaft gefährlich werden und was kann man letztendlich dagegen tun, um ihnen nicht auf den Leim zu gehen? Die Autorin beschäftigt sich eingehend mit der Thematik und zeigt in ihrem Buch die Auswirkungen auf, in denen die Erschaffer einer solchen Theorie im Laufe der Handlung immer mehr zum Opfer ihres eigenen Fantasykonstrukts werden. Mir hat ganz gut gefallen, wie Ursula Poznanski, die im Vorfeld sicherlich wieder eingehend recherchiert hat, die Mechanismen aufzeigt, durch die es kaum mehr möglich ist, eine einmal in die Welt gesetzte Behauptung wieder zu entkräften, wenn sie sich einmal verbreitet hat. Ähnlich, wie bei Gerüchten.

Die Charaktere in Shelter konnten mich nur teilweise überzeugen

So gut die Handlung von Shelter auch durchdacht ist, die Charaktere konnten mich nicht in allen Punkten überzeugen. Zentrale Figuren sind die Jugendlichen und jungen Erwachsenen Nando, Liv, Darya und Benny, die zusammen in einer Wohngemeinschaft leben. Nando, der Medizinstudent, spielt vor allem zu Beginn des Buches eine Rolle, ebenso Darya. Mit der Zeit zentriert sich der Fokus jedoch immer mehr auf Benny, einen jungen Mann, der nur allzu gerne auf die Schauspielschule möchte, und Liv, eine ehrgeizige Psychologiestudentin. Während Bennys Charakter durchaus gut gezeichnet wurde und er mir auch schnell ans Herz gewachsen ist, konnte ich mit Liv und ihrer egoistischen und schlichtweg asozialen Einstellung irgendwie nicht viel anfangen, was vielleicht von der Autorin auch so gewollt war. Hier ist für mich auch schon der erste Kritikpunkt. Livs Charakter und ihr Verhalten wirkt zu überzogen und sie hat mich irgendwann nur noch genervt. Kann ein Mensch so sein? Vermutlich. Livs Mitbewohner schaffen es kaum, sich gegen ihren Willen durchzusetzen, obwohl sich die Probleme immer mehr anhäufen und schließlich auch für die vier Erschaffer der Theorie immer bedrohlicher werden. Eine weitere wichtige Rolle spielt zudem Octavio, ein eifriger Verfechter der Shelter-Theorie, der in den sozialen Medien anonym für ihre Verbreitung sorgt und dabei immer mehr fanatische Anhänger um sich schart. Ursula Poznanski versucht also viele Aspekte zum Thema in ihrem Buch zu verarbeiten, was ihr auch gut gelungen ist.

Über die Glaubwürdigkeit von Verschwörungstheorien

Zu Beginn des Buches entwickeln die vier WG-Bewohner eine geradezu hanebüchene Geschichte über Außerirdische, um sie als Verschwörungstheorie zu verbreiten. Die Theorie ist so abgedreht, dass es einem als Leser schwerfällt zu glauben, dass irgendjemand in der Gesellschaft diesen Humbug ernsthaft in Erwägung ziehen könnte. Ein wenig erinnert mich die Handlung an den sehenswerten Film Sie leben aus dem Jahr 1988, in dem die Bevölkerung Erde bereits von Außerirdischen unterwandert wurde.

Viele Verschwörungstheorien sind meiner Meinung nach aber deshalb so gefährlich, weil sie glaubhaft erscheinen können, manchmal sogar einen wahren Kern oder Hintergrund haben und sie auch durch rationales Denken allein und ohne weitergehende Hintergrundinformationen erstmal schwer widerlegt werden können. Es könnten theoretisch also auch die Personen recht haben, die an die Theorie glauben, wenn vielleicht auch nur mit einer verschwindend geringen Wahrscheinlichkeit. Die Tatsache allein, dass der Großteil einer Gesellschaft eine Theorie als Verschwörungstheorie brandmarkt, widerlegt sie dadurch zunächst noch nicht. Im Mittelalter gab es die Lehre, die Erde wäre eine Scheibe. Wer sollte da auch daran zweifeln? Bei der Theorie in Shelter von Ursula Poznanski sehe ich für mich selbst hingegen zu wenig Glaubwürdigkeit. In meinen Augen ist sie absoluter Unsinn, wobei ich allerdings nicht die Existenz außerirdischen, intelligenten Lebens anzweifle. Vermutlich gibt es aber Menschen, die auf diesen Shelter-Zug aufspringen würden. Manche glauben schließlich auch an das fliegende Spaghettimonster (oder die Erde wäre eine Kugel). Beweist hier einmal das Gegenteil.

Poznanskis Shelter-Theorie erfüllt im Buch ihren Zweck und zeigt, wie selbst halbwegs gut gebildete Menschen darauf hereinfallen. Allerdings gibt es hier noch einen Kritikpunkt, den ich hier unbedingt loswerden möchte. Poznanski erwähnt im Zusammenhang mit Anhängern der Shelter-Theorie auch gleich noch ein paar Impfgegner, die der Theorie im Buch nahestehen. Ich finde diese Verknüpfung nicht so gut, schließlich gibt es Menschen, die durchaus gute persönliche Gründe haben könnten gegen eine Impfung (gegen Corona?) zu sein. Das hat aber mit Verschwörungstheorien zunächst einmal wenig zu tun. Ich finde es einfach keinen guten Stil hier Zusammenhänge zu implizieren und Impfgegner in eine Ecke mit Verschwörungstheoretikern zu stellen.

Im weiteren Verlauf der Handlung entwickelt sich diese immer mehr in eine Richtung, die man nicht erwartet, womit Poznanski wieder einmal ihre Leserinnen und Leser überrascht. Mir hat das gut gefallen und ich möchte hierzu auch nicht mehr verraten. Insbesondere fand ich gut, dass sie sich diesmal wieder um ein schlüssiges und gutes Ende bemüht, was in ihren früheren Romanen leider nicht immer der Fall war.

Mein Fazit – Insgesamt ein gutes Buch

4 von 5 Sternen „Spannend, aber mit manchen Kritikpunkten.“

Insgesamt ist Shelter von Ursula Poznanski ein durchaus lesenswertes Buch, aus dem man so manches über Verschwörungstheorien und deren Mechanismen lernen kann. Es mag jungen Lesern wie auch Erwachsenen helfen, die Dinge etwas mehr zu hinterfragen und nicht jedem Gerücht zu glauben, das immer wieder durch die sozialen Medien geistert. Poznanskis flüssiger Schreibstil und die ständig präsente Gefahr für die Protagonisten halten die Spannung hoch.
Ich bin schon jetzt gespannt auf Ursula Poznanskis nächstes Jugendbuch.

Jay

5 Gedanken zu “Shelter von Ursula Poznanski

  1. Schönen guten Morgen!

    Ich hab das Buch noch nicht gelesen, aber es wartet bereits auf mich. Ich mag die Jugendthriller der Autorin auch gerne, wobei mir manchmal die Aufklärungen etwas „an den Haaren herbeigezogen“ sind. Hier scheint das teilweise ja auch etwas abstrus zu werden, aber die Thematik ist in der heutigen Zeit natürlich sehr brisant.
    Ich bin gespannt, wie ich es finden werde.
    „Verschwörungstheorien“ sind ja immer so eine Sache … und ein Körnchen Wahrheit ist wohl bei vielen dabei… aber wie du schon sagst: Vor-Verurteilung oder alle über einen Kamm zu scheren ist keine Lösung für das Problem, auch das, mit dem wir ja alle grade zu kämpfen haben.

    Liebste Grüße, Aleshanee

    1. Hallo Aleshanee,

      vielen Dank für Deinen Beitrag. Die Aufklärung ist auch in diesem Buch etwas konstruiert, wie ich fand. Dennoch hat Ursula Poznanski die Thematik in meinen Augen ganz gut umgesetzt. Es ist sicherlich nicht ihr bestes Buch, aber durchaus lesenswert. Würde mich freuen, wenn Du mir Deine Meinung hier schreiben könntest, sobald Du es gelesen hast.

      Liebe Grüße
      Jay

  2. Hallo Jay,

    es ist leider tatsächlich so, dass Impfgegner in eine Ecke mit Verschwörungstheoretikern gestellt werden.
    Ebenso ist das bei Coronamaßnahmenkritiker, die als Corona-Leugner beschimpft werden.

    Viele Grüße

    Wolfram

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