Der Monteur Gero Schmidt führt ein Leben wie jeder andere, bis er eines Tages unter mysteriösen Umständen aus der Gegenwart gerisssen und einige hundert Jahre in die Zukunft transferiert wird. Dort kommt er im Körper von Darius Buechili wieder zu sich, in einer Zeit, in der sich die Elitestadt Anthrotopia vom Rest der Welt abgeschottet hat und sehr erfolgreich an wissenschaftlichen Grenzthemen arbeitet. Die größten Geißeln der Menschheit, Alterung und Krankheit, sind weitgehend überwunden. Nur der Tod ist immer noch ein Problem.
Schmidts Transfer nach Anthrotopia erfolgt genau zu jenem Zeitpunkt, als eine praktikable Lösung gefunden zu sein scheint: die Konvertierung sämtlicher biologischer Körperzellen in synthetische. Ausgerechnet an Lucy Hawling, Buechilis engster Freundin und Schwester des Spitzenwissenschaftlers Ted Hawling, soll der Pilotversuch vorgenommen werden. Und das, obwohl niemand weiß, wie viel von Lucys Persönlichkeit dabei erhalten bleiben wird … (Klappentext)
Titel: Chronik eines Grenzgängers Autor: Darius Buechili Verlag: Artegenium Reihe: Grenzgänger, #1 Seitenzahl: 704 Genre: Roman Alter: 18+ Erste Aufl.: 28. April 2014 Ausgaben: Taschenbuch, E-Book ISBN: 978-3902987013 (TB)
Über den Autor und das Buch
Darius Buechili ist nicht nur der Name eines Protagonisten in Chronik eines Grenzgängers, sondern auch der Name des Autors. Geboren wurde er in den 70er Jahren in Österreich und beschäftigte sich bereits in jungen Jahren mit naturwissenschaftlichen und philosophischen Grundatzfragen. Nach seinem Studium war er über 10 Jahre lang in der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen eines internationalen Sicherheitsunternehmens tätig, leitete dort eine Gruppe von Softwareentwicklern und untersuchte dabei die Einsatzmöglichkeiten von neuen Technologien. Chronik eines Grenzgängers ist sein Debütroman. (Quelle: Homepage des Autors)
Das Buch ist als Kindle ebook und in seit Kurzem auch als Printausgabe bei Artegenium erhältlich. Es handelt sich um den ersten Teil einer Reihe. Ein Folgeband ist, lt. Autor, bereits in Arbeit. Chronik eines Grenzgängers hat insgesamt knapp 700 Seiten. Die Handlung umfasst 64 Kapitel inklusive einem Prolog und einem Epilog auf 656 Seiten. Hinzu kommt ein ausführliches Glossar mit dem wichtigsten Fachvokabular.
Meine Meinung
Als mich Darius Buechili angeschrieben und gebeten hat seinen ersten Roman zu lesen, bin ich wie immer mit hohen Erwartungen an das Buch heran gegangen. Sie wurden nicht enttäuscht. Chronik eines Grenzgängers beschreibt eine menschliche Gesellschaft, wie sie in einigen hundert Jahren aussehen und welche Werte sie dann vertreten könnte. Der Autor schreibt auf seiner Homepage, dass sein Buch weder eine Utopie („geschönte Zukunft“), noch eine Dystopie („pessimistische Prognose“) wäre und tatsächlich finden sich in seinem Werk Elemente beider Ansätze.
Als Leser kann man von einer Stadt wie Anthrotopia träumen, und auch im Buch sind Besucher der Metropole hin und weg von der dort vorherrschenden Perfektion. Darius Buechili beschreibt eine schöne neue Zukunft (-> Klappentext), doch mit der Sonne kommt auch eine Schattenseite, denn Anthrotopia/Annexea ist eine Insel der Glückseligen mit hohen Wertvorstellungen, die den Rest der Welt ausschließt und bekämpft. Außerhalb der abgeschotteten Ringkernstädte treiben die „Tribes“ ihr Unwesen, gegeneinander kämpfende Menschengruppen, denen der Zutritt zu Annexea versagt bleibt und die auf einer weitaus niedrigeren technologischen Stufe stehen. Also spaltet sich auch in dieser Zukunft die Welt in reich und arm, in privilegiert und benachteiligt.
Durch verschiedene technische Implantate optimieren Annexeas Bewohner ihren Körper und blockieren erfolgreich menschliche Emotionen. Die beschriebene Gesellschaft ist dadurch geradezu emotionslos und sachlich. Tatsächlich wird man im ganzen Buch kaum tiefgehende emotionale Beziehungen und Ausdrucksweisen finden.
Amouröse Verhältnisse im klassischen Stil gab es nur wenige, und diese beschränkten sich fast ausnahmslos auf ungeblockte Personen.
Darius Buechili: Chronik eines Grenzgängers
Ernsthafte Sorgen würde die Psychodämpfung verhindern.
Doch ist es nicht gerade die Fähigkeit (starke) Emotionen zu empfinden, die den Menschen zum Menschen machen?
Überwachung, ein typisches Merkmal der Dystopie, ist auch in Annexia an der Tagesordnung, auch wenn Persönlichkeitsrechte dabei gewahrt bleiben. Zumindest wird dies behauptet:
Laufende Persönlichkeitsscans gewährleisten, dass sich keiner der Einwohner in gravierender Weise von humanistischen Grundregeln entfernte. Zusätzlich bot eine mit Maschinenintelligenzen kooperierende Systemüberwachung – welche die Privatsphäre des Einzelnen wahrte – einen wirksamen Schutz vor internen und externen Gefahren.
Darius Buechili: Chronik eines Grenzgängers
So schillernd die Gesellschaft in Annexea/Anthrotopia auch sein mag, so kalt und unnahbar wirkt sie bisweilen auf den Leser. Nicht, dass dies unglaubwürdig wäre. Ganz und gar nicht. Doch man stellt sich letztendlich die Frage, ob diese Gesellschaft tatsächlich so schön und perfekt ist, wie es den Anschein hat.
Darius Buechili hat in Chronik eines Grenzgängers ein durchaus glaubhaftes Bild menschlicher Zivilisation gezeichnet und es lohnt sich definitiv es eingehender zu studieren. Ob es einem gefällt oder nicht, dass kann jeder für sich selbst entscheiden.
Leider gibt es auch Kritik am Buch, denn die Lektüre ist nicht immer leicht. Man merkt sehr wohl, dass das Autor technisch und philosophisch sehr interessiert ist, wodurch manche Abschnitte sehr schnell in ausführliche philosophische Betrachtungsweisen abschweifen, denen man bisweilen nur mit Mühe und hoher Konzentration folgen kann. Die Sätze sind lang, verschachtelt und mit Fremdwörtern und Fachvokabular gespickt. Das ist sehr schade, weil die gedanklichen Ansätze dahinter durchaus interessant sind. Man tut sich jedoch immer wieder schwer sie zu verstehen und steigt im schlimmsten Fall irgendwann aus, wodurch unweigerlich unnötige Längen entstehen. Ein etwas niedrigeres sprachliches Niveau hätte diesen Abschnitten gut getan. Hin und wieder wirkt die Sprache auch zu hochgestochen und formell.
Der Mangel an Emotion zwischen den Charakteren ist ein weiteres Problem und machte es mir sehr schwer zu den Charakteren eine Beziehung aufzubauen. Im Prinzip blieben sie für mich blass und unnahbar, was sehr schlecht ist, da dadurch beim Leser kaum Emotionen hervorgerufen werden. Vor dem Hintergrund der dargestellten emotionsgeblockten Gesellschaft ist dieser Mangel an Sinnlichkeit nachvollziehbar, aber es nimmt dadurch auch der Geschichte viel Potential, denn ohne emotionale Beziehung der Charaktere untereinander wird man als Leser ihnen gegenüber schnell gleichgültig, was effektiv Spannung verhindert.
Fazit
Gemischte Gefühle. Gut fand ich den Ideenreichtum, mit dem Darius Buechili seine Geschichte und Charaktere zum Leben erweckt. Er hat sich sehr detaillierte Gedanken gemacht und damit eine durchaus glaubwürdige menschliche Gesellschafft erschaffen, über die man gerne mehr lesen möchte. Gleichzeitig ist Chronik eines Grenzgängers keine seichte Unterhaltungslektüre, sondern gab mir als Leser eine ganze Reihe überaus interessanter Impulse zum Nachdenken. Top, Herr Buechili.
Das hohe Sprachniveau in manchen Kapiteln machten die Lektüre jedoch zum Teil unnötig schwer für mich. Die philosophischen Betrachtungsweisen waren oft zu abstrakt und nur schwer nachvollziehbar. Hier konnte das Glossar ein wenig helfen. Das Hauptproblem jedoch waren die mangelnden Emotionen/Beziehungen zwischen den Charakteren. Dadurch blieben sie für mich eigentlich durchweg blass und unnahbar. Trotzdem kann ich das Buch empfehlen und freue mich auf eine Fortsetzung.