Ich sehe was, was du nicht siehst, und das wird wahr
Als Kind hat Julian merkwürdige Visionen. Das sind nur Fehlschaltungen im Hirn, sagt seine Therapeutin, bedeutungslose Trugbilder. Und mit den richtigen Medikamenten sind die auch verschwunden.
Jahre später wird Julian mit einer schockierenden Erkenntnis konfrontiert. Einige seiner Visionen scheinen wahr geworden zu sein. Sieht er Schatten, die die Zukunft vorauswirft? Könnte er also schlimme Ereignisse verhindern? Oder tritt er damit noch größere Katastrophen los? (Quelle: Loewe Verlag)
Titel: Oracle Autorin: Ursula Poznanski Verlag: Loewe Seitenzahl: 432 Genre: Jugendthriller Alter: 14+ Erste Aufl.: 16. August 2023 Ausgaben: Hardcover, E-Book, Hörbuch ISBN: 978-3743216587 (HC) Sonstiges: –
Über die Autorin von Oracle
Ursula Poznanski, geboren in Wien, studierte sich einmal quer durch das Angebot der dortigen Universität, bevor sie nach zehn Jahren die Hoffnung auf einen Abschluss begrub und sich als Medienjournalistin dem Ernst des Lebens stellte. Nach der Geburt ihres Sohnes begann sie Kinderbücher zu schreiben. Ihr Jugendbuchdebüt Erebos erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis) und machte die Autorin international bekannt.
Ursula Poznanskis Bücher sind regelmäßig auf den oberen Plätzen der Spiegel-Bestsellerliste zu finden und werden in den Feuilletons namhafter Zeitungen und auf den Kulturseiten im Netz besprochen. Inzwischen ist sie eine der erfolgreichsten Jugendbuchautorinnen im deutschsprachigen Raum und schreibt zudem Thriller-Bestseller für Erwachsene. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien. Jedes Jahr im Sommer erfreut sie ihre Leser mit einem neuen Jugendthriller. Oracle ist ihr der dreizehnte und erschien im August 2023.
Ich sehe was, was du nicht siehst …
Julian hatte es nicht leicht in seiner Kindheit. Beängstigende Nebel und seltsame Zeichen entstellten die Gesichter und Körper mancher seiner Mitschüler. So angsteinflößend, dass er es oft nicht wagte, Menschen direkt anzusehen, wenn er ihnen begegnete. Zu groß war seine Furcht. Doch nun, Jahre später, wagt Julian einen ersten großen Schritt aus dem Schneckenhaus der Wohnung seiner Eltern. Er schreibt sich an der Uni für ein Studium ein und zieht in ein Studentenwohnheim, um sich seinen Ängsten zu stellen.
Ursula Poznanski schreibt mit Oracle abermals einen Jugendthriller, der unter die Haut geht. Diesmal geht es in den eher übersinnlichen Bereich, zu Visionen, die nicht einmal Julian so richtig versteht. Mir hat es gut gefallen, wie sie die verschiedenen Hauptcharaktere so nach und nach einführt. Da gibt es neben Julian noch den recht exzentrischen Robin, den Mitbewohner seines Studentenzimmers. Die nette Pia und ihren Terrier mit Namen Kinski und natürlich eine ganze Gruppe Mitstudenten mit unterschiedlichsten Begabungen und Charakteren. Ursula Poznanski schafft es gut, das Leben in Julians Studentenwohnheim zu beschreiben und die Charakterbeziehungen zu festigen. Das ist insbesondere wichtig, weil, wie sollte es auch anders sein, Julians Visionen sein Leben schon bald wieder gehörig durcheinanderbringen und davon betroffen sind natürlich seine neuen Freunde und Mitstudenten, die er immer wieder in großer Gefahr sieht. Doch auch Sonja, seine langjährige Therapeutin, spielt nach und nach eine gewichtigere Rolle.
Ein Spiel mit der Angst
Julians Visionen können wirklich sehr beunruhigend sein, bisweilen sogar ziemlich gruselig. Ursula setzt diese Vorahnungen und Zeichen (im Buch nennt Julian sie Marker) gezielt ein, um Spannung zu erzeugen. Gleichzeitig lassen Vorahnungen und Ungewissheit aber auch viel Spielraum für eigene Interpretationen durch den Leser, was den weiteren Verlauf der Handlung betrifft. Julians Zweifel und Ängste sind gut greifbar, wobei es ihm selbst oft schwerfällt, dies den anderen mitzuteilen, die die Marker ja nicht sehen können, wie er. Julians Versuche, die Dinge in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen sind oft schwerer umzusetzen als gedacht, schließlich will er seine Freunde nicht in Angst und Schrecken versetzen oder als Unheilsprophet gelten. Auch weiß er oft nicht, wie die Zeichen überhaupt zu deuten sind. Mit dieser Unsicherheit erschafft Ursula Poznanski den richtigen Nährboden für eine abwechslungsreiche Geschichte mit manchmal unerwarteten Wendungen. Dadurch fällt es ihr relativ leicht, den Spannungsbogen langsam zu steigern. Cliffhänger am Ende mancher Kapitel tun ihr Übriges dazu, dass man Oracle nicht zur Seite legen kann.
Natürlich läuft die Handlung auf einen dramatischen Höhepunkt hin, bei dem man gar nicht so schnell lesen kann, wie man eigentlich möchte. Dieser „Showdown“ ist dem Buch würdig. Was mir ebenfalls gut gefallen hat, war das ausführliche Ende. Die Autorin schafft es in meinen Augen immer besser, die Handlung ihrer Bücher zu einem würdigen Schluss zu bringen. Vor allem in ihren ersten Büchern war dies oft ein Kritikpunkt von meiner Seite, weil das Ende viel zu schnell abgehakt war und manchmal auch noch wesentliche Fragen offen blieben. Inzwischen führt Ursula Poznanski jedoch ihre Bücher zu einem zufriedenstellenden Ende. So auch in Oracle. Wie dieses Ende konkret aussieht, verrate ich hier natürlich nicht. Lest das Buch und Ihr werdet es genießen. Ebenso, wie ich.
Mein Fazit
Oracle reicht sich zusammen mit Erebos und Cryptos in die Riege von Poznanskis besten Jugendthrillern ein. Auch wenn sich der Beginn etwas gezogen hat, weil ja erst eine einige Charaktere eingeführt werden mussten, konnte es mich schließlich voll in den Bann ziehen und überzeugen. In die Personen und das Leben im Wohnheim konnte ich mich, als ehemaliger Student, gut hineinversetzen. Spannung war genügend vorhanden. Da die Thematik mit den Visionen eher ins Übernatürliche hineinwirkt, muss jeder selbst entscheiden, ob er/sie einen Draht dazu findet. Mir hat es jedenfalls recht gut gefallen. Daher kann ich Oracle empfehlen und ich freue mich bereits auf Ursula Poznanskis nächsten Jugendthriller Scandor, der im August 2024 erscheint.
Jay
Schönen guten Morgen!
Ja, die Abschlüsse ihrer Jugendthriller empfand ich auch oft als zu schnell und etwas „unbefriedigend“… vor allem wenn ansonsten die Handlung super spannend ist und man auf ein tolles Ende hinfiebert und man dann enttäuscht wird. Freut mich sehr dass das hier nicht der Fall ist und auch sonst klingt die Geschichte ziemlich interessant!
Nach „Shelter“ wollte ich erstmal eine Poznanski-Pause machen, weil mir das Buch nicht wirklich zugesagt hatte – aber ich denke, dass ich Oracle und auch das neue (Die Burg) doch bald ausprobieren möchte. Sie scheint wieder besser im Schreibfluss zu sein 😀
Erebos hatte mir ja tatsächlich nicht so gut gefallen…
Liebste Grüße, Aleshanee