19. März 2024

Erik Axl Sund: Krähenmädchen

Kann man böse sein, wenn man keine Schuld empfindet? Oder ist Schuldgefühl die Voraussetzung für das Böse?

Erik Axl Sund: Krähenmädchen
Erik Axl Sund: Das Krähenmädchen Broschierte Ausgabe Goldmann Verlag (2014)
Erik Axl Sund: Das Krähenmädchen
Broschierte Ausgabe
Goldmann Verlag (2014)

Stockholm. Ein Junge wird tot in einem Park gefunden. Sein Körper zeigt Zeichen schwersten Missbrauchs. Und es bleibt nicht bei der einen Leiche … Auf der Suche nach dem Täter bittet Kommissarin Jeanette Kihlberg die Psychologin Sofia Zetterlund um Hilfe, bei der eines der Opfer in Therapie war. Ihr Spezialgebiet sind Menschen mit multiplen Persönlichkeiten. Eine andere Patientin Sofias ist Victoria Bergman, die unter einem schweren Trauma leidet. Sofia lässt der Gedanke nicht los, bei ihr irgendetwas übersehen zu haben. Schließlich müssen sich Jeanette und Sofia fragen: Wie viel Leid kann ein Mensch verkraften, eher er selbst zum Monster wird? (Klappentext)

Titel: Krähenmädchen (Kråkflickan) Autor: Erik Axl Sund Verlag: Harper Reihe: Victoria-Bergman, #1 Seitenzahl: 478 Genre: Psychothriller Alter: 16+ Erste Aufl.: 21. Juli 2014 Ausgaben: Taschenbuch, E-Book, Hörbuch ISBN: 978-3442481170 (TB) Sonstiges:

Über das Buch und die Autoren

Das Autorenduo Erik Axl Sund Quelle: www.otava.fi

Das schwedische Autorenduo Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist schrieben gemeinsam diesen ersten Teil der Victoria-Bergman-Trilogie unter dem Pseudonym Erik Axl Sund und schufen einen Thriller, der aufgrund seiner Härte schon seit seinem Erscheinen im Juli 2014 die Gemüter erregt.
Vom Beruf ist Håkan eigentlich Künstler, genauer gesagt Musiker und Tontechniker. Sein Freund Jerker kommt als Bibliothekar im Gefängnis den bösen Buben ziemlich nahe und er hat zudem eine Elektropunkband mit dem Namen „iloveyoubaby!“, die Håkan produziert.
Die Trilogie ist das Romandebüt der beiden und wurde bereits 2012 preisgekrönt.
Kähenmädchen ist mit 480 Seiten der erste Teil und erschien im Juli 2014 bei Goldmann. Im September folgt schließlich Narbenkind (Teil 2) und im November Schattenschrei (Teil 3).

Meine Meinung

Ich dachte nicht, dass man 480 Seiten so schnell lesen kann. Wäre nicht die Nacht dazwischen gewesen (und ich nicht ziemlich müde), dann hätte ich wohl keine 6-stündige Pause gemacht, denn Schlaf, Essen und Trinken wird eh überbewertet. Das heißt jedoch nicht, dass dieser Thriller grundsätzlich bei der Allgemeinheit der Leser sehr gut ankommt, denn wenn man die Rezensionen auf diversen Literaturplattformen so liest, dann scheinen bei Krähenmädchen die Meinungen tatsächlich weit auseinander zu gehen. Das macht das Buch dann wiederum interessant. Ich kann hier natürlich nur niederschreiben, was mir persönlich gefallen hat und wie immer muss jeder selbst entscheiden, ob es einem zusagt oder eben nicht. Was lässt sich also darüber erzählen?

Zunächst erregt Krähenmädchen vor allem die Gemüter, weil die Verbrechen relativ „hart“ sind. Obwohl die brutaleren Szenen nicht allzu bildhaft erzählt werden und einiges nur angedeutet wird, bleibt da immer noch das persönliche Kopfkino, das einen emotional aufwühlt. Manche Menschen kommen damit besser zurecht, andere weniger, zumal die Opfer in erster Linie Kinder sind, die noch dazu ziemlich leiden müssen. Zweifellos wird das von einem Großteil der Bevölkerung als besonders schrecklich und abstoßend empfunden.

Die Autoren präsentieren eine relativ breite Palette von Gewalt an Kindern und auch durch die Kinder selbst. Das geht über schwere körperliche und seelische Misshandlungen, sexuellem Missbrauch, Kindsmord und Suizid, bis hin zu den Kindersoldaten in Sierra Leone, die in den Erinnerungen einer Protagonistin eine wichtige Rolle spielen. Man kann sich jetzt drüber streiten, ob die Autoren hier etwas dick aufgetragen haben, aber in meinen Augen ist die Handlung glaubwürdig genug, zumal diese Ereignisse den Zweck haben ein bestimmtes Verhalten in der Gegenwart zu begründen .

Die wichtigsten Personen (Jeanette Kihlberg, Sofia Zetterlund und Victoria Bergman) sind recht gut ausgearbeitet. Vor allem erfährt man recht viel aus ihrer Vergangenheit, was dem Leser hilft ihr Handeln in der Gegenwart nachzuvollziehen. Hinzu kommen dann noch ihre privaten Probleme, die sie bewältigen müssen. Jeanette, die Polizistin, ist ständig überarbeitet und hat wenig Zeit für ihre Familie, was mich ein wenig an Jussi Adler-Olsens Kriminalhauptkommissar Carl Mørck erinnerte. Der kämpft bei der Lösung seiner Fälle auch ständig mit seinem Privatleben. Auch Jeanette hat einen Sohn, für den sie wenig Zeit hat, und ihr Mann… naja… keine Ahnung, was sie an dem Typ findet.

Sofia hingegen geht ganz in ihrem Beruf als Psychologin auf, wobei einige ihrer Patienten in der Handlung eine wesentliche Rolle spielen. Eigentlich gibt es in dem ganzen Buch keine bedeutungslosen Abschnitte und alles ist irgendwie miteinander verkettet, auch wenn man das meist erst später erkennt.

Ein kleiner Kritikpunkt: Besonders in der zweiten Hälfte des Romans geraten die Todesfälle etwas zu sehr ins Hintertreffen und das Privatleben der Protagonisten rückt zu stark in den Vordergrund. Zwar wünschte ich mir nicht gerade einen weitere Jungenleiche, aber zumindest die Ermittlungen hätten mehr im Fokus der Erzählung bleiben und schneller voranschreiten können. 😕

Ein wesentliches Element mit dem die Autoren ganz subtil Spannung generieren, sind die dissoziativen Identitätsstörungen mancher Charaktere, was ihre Einordnung in „gut“ bzw. „böse“ kolossal erschwert. Da Sofia als Psychologin diese Menschen behandelt, bekommt man hin und wieder einen schockierenden Eindruck, wie sich diese Krankheit real auswirkt. Oft genügt allein die plötzliche Veränderung der Stimmlage, um einem Schauer den Rücken hinunter zu jagen.

Hinzu kommt, dass der Handlungsfaden nicht geradlinig verläuft. Immer wieder kommt es zu mehr oder weniger überraschenden Wendungen, die mich in Atem hielten. Das erwarte ich auch von einem guten Thriller, dass nicht alles gleich vorhersehbar ist.

Last but not least: Das Buch hat einen brachialen Cliffhanger am Ende. Wer also nach den ersten paar hundert Seiten feststellt, dass er den Roman gut findet, sollte sich so bald als möglich den Nachfolgeband besorgen, damit keine allzu lange Wartezeit auftritt.

Mein Fazit

4,5 von 5 Sternen "Ein spannender Thriller von der ersten bis zur letzten Seite."
4,5 von 5 Sternen
„Ein spannender Thriller von der ersten bis zur letzten Seite.“

Die einen finden Krähenmädchen super, die anderen zählen das Buch zu den schlechtesten im Genre. Letztendlich muss das wieder jeder für sich feststellen, welche Partei man ergreift. Mir persönlich hat Krähenmädchen saugut gefallen. Es hat eine abwechslungsreiche Handlung, die viele Überraschungen bereithält. Auf die Personen konnte ich mich einlassen, und das Ganze war weitgehend schlüssig für mich. Kleine Kritikpunkte: Im späteren Verlauf lag mir der Schwerpunkt zu sehr auf dem Privatleben und zu wenig auf der Lösung der Fälle. Der Cliffhanger am Ende lässt den Leser am Abgrund zappelnd zurück. Sowas hinterhältiges kennt man sonst nur von George R. R. Martin. 😀
Von mir gibt’s jedenfalls eine Leseempfehlung. :thumbup:

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Jay

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