15. September 2024

Lion von Saroo Brierley

Sometimes it felt as if the world had forgotten about us and our problems.
(Saroo Brierley: Lion)

Saroo Brierley: Lion, Taschenbuchausgabe, Penguin Books, 2014

Der 5-jährige Saroo lebte in einer armen Kleinstadt in Indien, in einer Ein-Zimmer-Wohnung mit seiner Mutter und drei Geschwistern … bis zu dem Tag, als er allein in einen Zug stieg und nicht wieder nach Hause fand. 25 Jahre lang.

Diese Geschichte erzählt von Saroo und was ihm in diesen 25 Jahren widerfuhr. Wie er in den Straßen von Kalkutta landete – und überlebte. Wie er dann nach Tasmanien gelangte und das Leben eines Australiers der oberen Mittelschicht lebte. Und wie er im Alter von 30 Jahren mit beharrlicher Entschlossenheit, einer Menge Glück und der Macht von Google Earth seinen Weg zurück nach Hause fand. (Übersetzung: Klappentext)

Titel: Lion: Der lange Weg nach Hause (Lion – A long way home) Autor: Saroo Brierley Verlag: Ullstein Taschenbuch (Penguin Books) Seitenzahl: 256 (260) Genre: Non-Fiction Alter: 14+ Erste Auflage: 10. Februar 2017 (2014) Reihe: – Dt. Ausgaben: Taschenbuch, E-Book, Hörbuch ISBN: 978-3548376479 (Dt. TB) Sonstiges: Das Buch wurde verfilmt

Über den Autor Saroo Brierley

Saroo Brierley wurde 1981 als Sheru Munshi Khan in Khandwa (Indien) geboren. In seinem Buch Lion: A Long way home beschreibt er, wie er als 5-jähriger versehentlich in einem Zug einschlief und nach vielen Stunden Fahrt schließlich in der Millionenmetropole Kalkutta landete, ohne den Weg zurück nach Hause zu finden. Die Geschichte, wie er nach 25 Jahren seine indische Familie wiederfand, hat viele Menschen weltweit bewegt und fasziniert. Das Buch wurde zudem verfilmt (Link zum Trailer am Ende dieses Beitrags). Saroo lebt heute noch in Tasmanien (Australien), wo er in der Firma seiner Adoptiveltern arbeitet. Er besucht jedoch regelmäßig seine Familie in Indien.

Saroo Brierley (2020), der Autor von Lion
Bildquelle: Wikipedia

Indien – das Land der vermissten Kinder

Was war die längste Zeit, in der von eurer Familie getrennt ward? Wie habt ihr euch in dieser Zeit gefühlt? Stellt euch vor, diese Trennung würde 25 Jahre andauern und ihr hättet kaum eine Chance, eure Familie jemals wiederzusehen.

Genauso ist es dem kleinen Saroo ergangen, der in Indien verloren ging. Zu klein, um sich hinreichend zu artikulieren und zu klein, seine Familie aus eigener Kraft wiederzufinden. Saroos Geschichte ist jedoch kein Einzelfall. Indien ist mit über 1,4 Milliarden Einwohnern (2023) das bevölkerungsreichste Land der Erde. Es ist flächenmäßig mehr als neunmal so groß wie Deutschland und jedes Jahr werden dort über 100.000 Kinder als vermisst gemeldet. Eine unglaubliche Zahl. Viele von ihnen kommen aus bettelarmen Familien und der Polizei fehlen leider oft die Zeit und das Personal, sie alle aufwändig zu suchen. Viele der verloren gegangenen Kinder fallen schrecklichen Verbrechen zum Opfer. Es ist eine wahre Tragödie, was in dem Land geschieht. Vor diesem Hintergrund bekommt Saroos fantastische Geschichte eine ganz neue Dimension.

Lion – eine bewegende Geschichte

Was mich zunächst an Saroo Brierleys Erzählung so faszinierte, war die Beschreibung seiner Lebensverhältnisse. Man bekommt als Leser einen guten Einblick in seinen kindlichen Alltag. Man erfährt, wie sich seine Familie tagtäglich durchschlagen musste. Vom Vater des Hauses verlassen, musste die Mutter schwere Arbeiten für einen Hungerlohn ausführen, um sich und ihre vier Kinder irgendwie zu ernähren. Die großen Brüder und auch Saroo haben zusätzlich versucht ihren Beitrag zu leisten und Essen auf den Tisch zu bringen. Es war traurig und schön zu lesen, wie die Kinder zwar in solcher Armut aufwachsen, aber trotzdem eine glückliche Kindheit haben können. Nicht ganz so sorgenfrei, wie viele Kinder in der westlichen Welt, aber glücklich in ihrer Familie. Saroos Familienleben war geprägt von gegenseitiger Unterstützung und Liebe bis zu dem Zeitpunkt, wo er als kleines Kind von seiner Mutter und den Geschwistern auf tragische Weise getrennt wurde.

Was dann folgte, war eine Odyssee durch Indiens Metropole Kalkutta. Ein gefährliches Pflaster, auf dem ein 5-jähriges Kind kaum eine Chance hat, länger als ein paar Tage allein zu überleben. Welche Gefahren ihm drohten, beschreibt Saroo eindrucksvoll in seinem Buch. Selbst wenn er diese in seinem jungen Alter nicht wirklich einschätzen kann, so bleibt er dennoch wachsam, vertraut seinem Bauchgefühl und überlebt.

Saroo Brierleys Ausweisdokumente
(Quelle: medium.com/@PutnamBooks/midnight-train-to-calcutta-24f04550bf7b)

Neben all den negativen Erlebnissen seiner Irrfahrt, gibt es jedoch auch manche positiven Ereignisse. Mit viel Glück und der Hilfe von fremden Menschen, die es gut mit ihm meinen, schafft er es schließlich in Sicherheit zu kommen und ein neues Leben zu beginnen. Und ganz zum Schluss mit großer Kraft und unbändigem Willen seine indische Familie wiederzufinden.

Warum mir Lion gefallen hat

Das Buch wurde auch erfolgreich verfilmt. Sehr sehenswert!

Neben den informativen Aspekten über indische Lebensverhältnisse, waren es vor allem Saroos Erlebnisse, die mich an das Buch fesselten. Da es sich um eine wahre Geschichte handelt, will man einfach wissen, wie Saroo es letztendlich geschafft hat, alles wieder geradezubiegen. Ja, die erste Hälfte des Buches ist bisweilen nicht ganz einfach zu ertragen, da man natürlich mit dem kleinen Jungen mitfühlt. Seine Angst, die Verzweiflung und die Gefahren, denen er ausgesetzt ist, sind greifbar. Saroo versteht es sehr gut, seine Gefühle in Worte zu fassen und den Lesern seine Gedanken mitzuteilen. Das allein schon macht Lion so spannend.

Später, auf der Suche nach seiner Heimat mit Hilfe von Google Earth, liest man fasziniert mit, wie er nach Jahren durch Zufall seine Heimatstadt auf der Karte findet. Und selbst dann zweifelt er noch lange, ob es wirklich die richtige Stadt wäre. Als Leser der Erzählung sind es vor allem die Beschreibungen seiner Gefühle, die einen an Saroo binden. Die Unterstützung, die er durch seine australische Familie und seine Freunde erfährt, hilft ihm durch so manche schwierige Phase seiner Suche. Lion macht Hoffnung, dass trotz aller Hoffnungslosigkeit, sich am Ende doch alles zum Guten wenden kann. Es sind genau diese Geschichten, die man gerne öfter lesen möchte und die auch mich tief bewegen.

Im Lehrplan der Bayerischen Realschule (9. Klasse) wird im Fach Englisch das Thema Indien behandelt. Im Schulbuch befindet sich auf zwei Seiten der Prolog aus Saroo Brierleys Buch Lion der mein Interesse an dem Buch weckte. Ich habe es nicht bereut, dass ich mir das Buch gekauft habe, um die ganze Geschichte zu lesen. Das Buch eignet sich gut als (englische) Schullektüre in höheren Klassen. Auch der Titel Lion hat einen netten Ursprung. Saroos Geburtsname ist heißt eigentlich Sharu, was auf Hindi „Löwe“ bedeutet.

Lion wurde ganz wunderbar verfilmt, unter anderem mit Dev Patel und Nicole Kidman in den Hauptrollen. Der Regisseur verstand es die Atmosphäre des Buches und Saroos Gefühle und Erlebnisse perfekt in Scene zu setzen. Selbst, wenn jemand nicht so gerne liest, ist der Film absolut sehenswert.

Mein Fazit zu Lion

5 von 5 Sterne
„Eine wahre Geschichte, spannend von der ersten bis zur letzten Seite.“

Lion ist eine spannende und wahre Erzählung, die man als Leser nur verschlingen kann. Man möchte einfach wissen, wie es am Ende ausgeht, obwohl man schon im Vorfeld weiß, dass es letztendlich gut ausgehen wird (von einer Sache einmal abgesehen, die ich hier jedoch nicht verrate). Es ist ein Buch, das Mut und Hoffnung macht, dass selbst in aussichtslos erscheinenden Lebenslagen der Wille etwas bewegen kann. Ich kann Lion nur jedem empfehlen, der einen Einblick in indische Lebensverhältnisse haben möchte und der solche Geschichten mag.

Ich habe Lion im englischen Original gelesen. Es ist für fortgeschrittene Lernende gut verständlich und somit auch eine Empfehlung für eine Schullektüre (ab 9. Klasse Realschule).

Jay

Trailer zum Film „Lion“ auf YouTube

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