3. Dezember 2024

Authentizität und kulturelle Genauigkeit in Büchern?

Montagsfrage: Hast du Autobuy-Autoren?

Hallo zusammen,
so schnell vergehen die Wochen. Der Sommer ist fast vorbei, der Herbst naht und aufgepasst: in drei Monaten sind wir in der Adventszeit. Ich meine ja nur. Auch wir Lehrerinnen und Lehrer im schönen Bayern stellen uns schon langsam wieder auf das neue Schuljahr ein.

Und es wird für mich ein aufregendes Schuljahr. Besonders freue ich mich auf unseren Schüleraustausch mit den USA, der alle zwei Jahre von unserer Schule organisiert wird. Aber auch sonst steht wieder so einiges auf dem Programm. Zudem bin ich inzwischen wieder im Lesefieber und fresse derzeit die Bücher. Auch in dieser Hinsicht wird in den nächsten Wochen und Monaten sich hier im Blog einiges tun. Dazu gehört natürlich, wie an jedem Montag in der Woche, die Montagsfrage von Sophia vom Literaturblog Wordworld, die inzwischen schon ein fester Bestandteil hier ist. Über 190 Montagsfragen habe ich hier inzwischen beantwortet und es fasziniert mich immer wieder, dass es tatsächliche immer wieder neue spannende literarische Aspekte gibt, über die man reden kann.

Die heutige Montagsfrage beschäftigt sich mit dem Begriff der Authentizität in der Literatur.

Wie wichtig ist dir die Authentizität und kulturelle Genauigkeit in Büchern?
Habt Ihr ein Buch aufgrund mangelnder Recherche oder kultureller Sensibilität abgebrochen?

Tatsächlich ist mir dieser Aspekt sehr wichtig. Ich lege schon großen Wert darauf, dass Personen in Büchern schlüssig handeln, denn es gibt eben bestimmte Verhaltensweisen, die die hinreichend wissenschaftlich untersucht wurden und die dadurch auch ein bestimmtes Verhalten von Personen, zumindest mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, erwarten lassen. Das können, wenn es um psychische Dinge geht, Erkenntnisse aus der Psychologie sein oder aber auch aus der Medizin. In Filmen wundert mich das immer, wie Protagonisten aus wahren Schlachten mit tödlichen Waffen nahezu ohne Kratzer hervorgehen. Schwerste Verletzungen heilen auf wundersame Weise und selbst Sprünge durch tausende Glasfenster bleiben oft ohne gesundheitliche Folgen.

Im Film mag man darüber noch großzügig hinwegsehen können, da die Action ja weitergeht und man oft auch gar nicht die Zeit hat, sich darüber Gedanken zu machen. In Büchern, wo all diese Dinge aber meist im Detail beschrieben werden, fragt man sich dann irgendwann schon, ob das alles mit rechten Dingen zugeht. Ich erwarte von einem Autor (oder einer Autorin), dass er hier sehr vorsichtig vorgeht und die Konsequenzen entsprechend und möglichst authentisch berücksichtigt. Dazu gehört im Zweifelsfall auch eine eingehende Recherche im Vorfeld

Eine authentische Gesellschaft ist mir wichtig

Gleiches gilt für eine Gesellschaft, sei sie nun real und historisch fundiert oder aus der Vorstellung des Schriftstellers entsprungen. Nehmen wir als Beispiel den klassischen dystopischen Roman 1984 von George Orwell. Die dort beschriebene Gesellschaft ist zwar schrecklich, grausam, unerträglich und im höchsten Maße ungerecht, aber sie wäre in dieser Form denkbar. Orwell baut sie schlüssig auf und beleuchtet sie in vielen verschiedenen Aspekten und dadurch wird sie greifbar und, ganz wichtig, realistisch. Die Frage, ob es in der Realität jemals so weit kommen würde, ist hierbei völlig irrelevant. Allein die Tatsache, dass es möglich wäre, da logisch und schlüssig konstruiert, genügt. Dadurch ergeben sich konsequenterweise auch genug Aspekte, über die man nach der Lektüre genauer nachdenken kann. Inzwischen ist es sogar schon so, dass man in bestimmten politischen Entscheidungen deutscher Politik Parallelen zu 1984 zu erkennen meint. Aber das ist wieder eine andere Diskussion.

Stellt man 1984 von George Orwell als geglücktes Beispiel einer schlüssig konstruierten dystopischen Welt vor, so ist Cecelia Aherns Roman Flawed in meinen Augen ein Beispiel für ein nicht ganz so gelungenes Konzept. Ich habe Flawed in den letzten Tagen gelesen und werde die zugehörige Rezension in Kürze online stellen. So gut die Intention von Frau Ahern mit diesem dystopischen Roman auch sein mag, wenn sie den menschlichen Zwang nach Perfektionismus an den Pranger stellt, rechtfertigt dies nicht eine in weiten Teilen unglaubwürdige gesellschaftliche Normen. Genau das haben wir aber in Flawed. Authentizität fehlt. Bei genauer Betrachtung und kritischem Hinterfragen wird man schnell zu dem Schluss kommen, dass das so überhaupt nicht funktionieren kann. Schade, weil das Buch ist echt spannende geschrieben. Ich habe nur Nackenschmerzen vom ständigen Kopfschütteln.

Authentizität in Filmen

Hier noch ein weiteres Beispiel aus der Filmindustrie: Im Jahr 2001 erschien der Martial-Arts-Film Tiger & Dragon. Ich liebe solche Filme, wenn sie mit Händen und Füßen aufeinander losgehen. Ich mag die Akrobatik im Kung-Fu vor asiatischer Kulisse und ich mag auch die Geschichten und Legenden dahinter. Da kaufe ich mir also den Film, der übrigens auch mehrfach ausgezeichnet wurde, und freue mich auf einen tollen Blockbuster. Irgendwann stellt man dann aber während der hervorragend inszenierten Kämpfe fest, dass im alten China offenbar grundlegende physikalische Gesetze nicht gegolten haben. Da springen Leute mal eben 7 Meter in die Luft (aus dem Stand!), springen kämpfend von Baumwipfel zu Baumwipfel oder mal eben über eine riesige Mauer, als wären sie auf dem Mond, und dergleichen mehr. Sieht choreografisch alles fantastisch aus, ist aber für mich ein absoluter Stimmungskiller, da einfach nicht mehr realistisch.

Ein guter Film, der die Authentizität in Filmen ganz vortrefflich parodiert, ist übrigens die Komödie Last Action Hero mit Arnold Schwarzenegger aus dem Jahr 1993. Absolut sehenswert.

Kulturelle Genauigkeit in Büchern

Das Schöne an Büchern ist in meinen Augen auch, dass man viel über andere Kulturen lernen kann. Wenn ich also einen Roman lese, dessen Handlung in China, Japan, Spanien oder jedem anderen Land spielt, dann erwarte ich schon ein gewisses Maß von kultureller Korrektheit. Autorinnen und Autoren sollten sich hinreichend damit auseinandersetzen, damit ein allzu falsches Bild nicht entstehen kann. Das wäre mir schon wichtig. Es sollten keine Klischees und Vorurteile befeuert werden, was ein gewisses Maß an Sensibilität beim Schreiben erfordert. Mir würde es auch nicht gefallen, wenn in amerikanischen Büchern wir Deutsche immer nur Sauerkraut und Klöße essen müssten (was ja so das typische Klischee ist).

Handelt es sich dagegen um eine selbst erdachte Kultur, dann sollte auch sie irgendwo glaubhaft konstruiert sein, was wir ja oben unter dem Punkt Gesellschaft schon hatten. Autoren, die sich dabei viel Mühe geben, belohnen ihre Leser mit einer Handlung, in der man sich verlieren kann. Denken wir nur an Tolkien, der seine Welt bis zur Perfektion entwickelt hat. So vielschichtig, man könnte fast meinen, es hätte sie tatsächlich einmal gegeben.

Wie wichtig ist Euch Authentizität in Büchern, die Ihr lest? Schreibt mir gerne in die Kommentare.

Jay

2 Gedanken zu “Authentizität und kulturelle Genauigkeit in Büchern?

  1. Hey Jay,

    ich musste über deinen Exkurs zu den Action-Filmen ein bisschen lachen, weil das echt genau der Inbegriff von fehlender Authentizität und Glaubwürdigkeit in Unterhaltungsmedien darstellt. Schön finde ich zum Beispiel auch immer, wenn die Helden in solchen Filmen in Schießereien alle Gegner niederstrecken, aber nie selbst getroffen werden und der Sidekick genau lange genug eine tödliche Wunde überlebt, um noch ein verwirrendes Geheimnis auf den Weg zu geben und eine herzzerreißende Sterbeszene zu produzieren ;-)))

    Liebe Grüße
    Sophia

    1. Hey Sophia,
      genau so ist es. Daher finde ich auch „Last Action Hero“ so witzig. In Filmen fällt es vielelicht nicht so auf, aber in Büchern, wo man gedanklich naturgemäß sehr dabei ist, weil man sich das alles ja vorstellt, ist es wirklich nervig, wenn Dinge so superoptimal laufen. Ich kann mich auch erinnern, dass ich Bücher deswegen schon abgebrochen habe, weil es mir zu viele glückliche Zufälle auf einmal gab. Strange.

      Liebe Grüße
      Jay

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