19. März 2024

Hiobs Brüder von Rebecca Gablé

Die Hoffnung wohnt oft hinter der Tür, an die zu klopfen, einem nicht einfällt.

Rebecca Gablé: Hiobs Brüder
Rebecca Gablé: Hiobs Brüder, Gebundene Ausgabe, Ehrenwirth Verlag (2009)

„Was dachte Gott sich nur dabei, das geschehen zu lassen? War es eine Prüfung? Hatte Gott sich überlegt: Ich schlage dich mit einem Gebrechen, das dich zum Außenseiter macht, und dann schaue ich tatenlos zu, wie die Menschen Schindluder mit dir treiben, um zu sehen, wie fest dein Glaube ist? Waren sie alle, die von der Insel entkommen waren, Hiobs Brüder?“ Er weiß nicht, wer er ist, und so nennen sie ihn Losian. Mit einer Handvoll anderer Jungen und Männer lebt er eingesperrt in einer verfallenen Inselfestung vor der Küste Yorkshires. Als eine Laune der Natur ihnen den Weg in die Freiheit öffnet, wagen sie die Flucht zurück aufs Festland. Ein Abenteuer beginnt und eine Suche – und Losian muss fürchten, dass er den grauenvollen Krieg verschuldet hat, unter dem ganz England leidet …

Titel: Hiobs Brüder Autor: Rebecca Gablé Verlag: Bastei Lübbe Seitenzahl: 912 Genre: Historischer Roman Alter: 16+ Erste Aufl.: 09. Oktober 2009 Ausgaben: Hardcover, Taschenbuch, E-Book, Hörbuch ISBN: 978-3431037913 (HC), 978-3404160693 (TB)

Über das Buch und die Autorin von Hiobs Brüder

Quelle: Westdeutsche Zeitung (www.wz-newsline.de)
Quelle: Westdeutsche Zeitung (www.wz-newsline.de)

Rebecca Gablé, geboren am 25. September 1964 in Mönchengladbach, gehört zu den bekanntesten deutschen Autorinnen anspruchsvoller historischer Romane. Ihr eigentlicher Name lautet Ingrid Krane-Müschen. Sie studierte Literaturwissenschaften und Mediävistik (Mittelalterforschung) an der Universität Düsseldorf und konzentrierte sich dabei auf den englischen und deutschen Sprachraum, was ihrer Profession als Autorin heute zugutekommt. Der große Durchbruch gelang ihr 1997 mit dem Roman Das Lächeln der Fortuna, der gleichzeitig der erste Band ihrer beliebten Warringham-Saga ist. 2015 erschien der fünfte Band dieser Reihe.
Hiobs Brüder wurde 2009 veröffentlicht. Der Roman umfasst 912 Seiten (gebundene Ausgabe) und ist in mehrere Kapitel unterteilt, die als Überschrift jeweils den Handlungsort, den Monat und das Jahr der Handlung tragen. Neben der gebundenen Ausgabe gibt es Hiobs Brüder auch als Taschenbuch und Hörbuch.

Meine Meinung zu Hiobs Brüder

Es ist schon ein paar Jahre her, seit ich Das Lächeln der Fortuna gelesen habe, ein Buch, das mir seinerzeit sehr gut gefallen hat. Mir gefallen Rebecca Gablés Schreibstil, ihre facettenreichen Charaktere und die lebendige mittelalterliche Welt, die sie mit sehr vielen Details erschafft. Der Umfang ihrer Bücher mag manche Leser abschrecken, denn selten kommt man unter 800 Seiten weg, doch es lohnt sich in jedem Fall sich darauf einzulassen. Nach ihren eigenen Aussagen dauert es etwa 2 Jahre bis so ein Roman entsteht und wenn man sie liest, dann bemerkt man die viele Recherchearbeiten in diesen Büchern steckt. Viele interessante Details lassen nicht nur die Welt lebendig werden, sie sind gleichzeitig eine Wissensbereicherung für alle, die sich für das Leben im Mittelalter und dessen Geschichte interessieren.

Der Rahmen der Bücher basiert in der Regel auf wahren geschichtlichen Begebenheiten. Viele der handelnden Personen gab es tatsächlich, doch die Protagonisten sind meist fiktive Charaktere, welche die Geschichte hautnah miterleben, den Leser quasi an die Hand nehmen und durch die Ereignisse führen. Durch diese Mischung aus Realität und Fiktion hat Rebecca Gablé die Möglichkeit der Handlung zusätzliche Spannung zu verleihen, da sie Nebenschauplätze erfinden kann.

Hiobs Brüder „spielt“ im England des 12. Jahrhunderts, als die Auseinandersetzung um die Thronfolge das ganze Land über Jahre hinweg mit großem Leid überzog. Meist waren es die Schwächsten der Gesellschaft, vor allem Leibeigene und Bauern, die mit ihren Familien sehr unter den Kriegen der Machthaber zu leiden hatten. Rebecca Gablé beschreibt dies so eindringlich, dass man die Hilflosigkeit der Menschen zu jener Zeit regelrecht spüren kann, wenn sie die Willkür durch Kirche und Staat ertragen mussten.

Die Protagonisten dieses Buches sind jedoch Menschen, die ganz am unteren Rand der Gesellschaft zu finden sind, die Ausgestoßenen und Verfolgten, die sich durch ihre Andersartigkeit von der breiten Masse der Bevölkerung abheben und von vielen nur mit Misstrauen beäugt werden. Da wäre zum Beispiel der Soldat Losian, der sein Gedächtnis verloren hat und nach seiner Vergangenheit sucht. Die Brüder Godric und Wulfric, deren Körper zusammengewachsen sind und die als siamesische Zwillinge misstrauische Blicke auf sich ziehen. Der etwas einfältige Oswald, der am Down-Syndrom leidet, sowie der Junge Simon, der als Epileptiker dem Spott der Mitmenschen ausgesetzt ist, die nicht selten eine Strafe Gottes in seiner „Fallsucht“ sehen, und noch ein paar mehr. Dieser Gruppe außergewöhnlicher Menschen gelingt es aus ihrem Gefängnis zu fliehen, wo man sie zum Schutz der „normalen“ Bevölkerung einsperrte, und durchwandert das vom Krieg gebeutelte England auf der Suche nach einem Ort, an dem sie in Frieden leben können und nach einer Zukunft in Freiheit. Natürlich bringt dies Probleme mit sich und schon ist der Grundstein für eine abwechslungsreiche Handlung gelegt.

Mich faszinierte, wie die „Brüder“ sich gegenseitig in den verschiedensten bedrohlichen Situationen beistehen, obwohl sie sich dabei selbst immer wieder Gefahren aussetzen, und wie ihre unvoreingenommene und bedingungslose Freundschaft sie durch die Höhen und Tiefen der Geschichte trägt. Man fühlt mit ihnen und hofft natürlich, dass sich ganz zum Schluss alles zum Guten wenden wird. Rebecca Gablé konnte die Beziehungen zwischen den Brüdern, ihre Gefühle, Sorgen und Ängste wunderbar herausarbeiten.

Im Mittelalter hatten Religionen einen sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Der Einfluss des Klerus bestimmt auch in Hiobs Brüder das Leben der Protagonisten, die immer wieder auch mit kirchlicher Willkür konfrontiert werden. Ein besonderes Augenmerk richtet die Autorin in ihrem Buch zudem auf das angespannte Verhältnis zwischen Christen und Juden. Ich fand die Einblicke in die verschiedene Gebräuche und die Sichtweisen auf die jeweilige andere Religion sehr interessant. Fast immer spielen Vorurteile eine wichtige Rolle, sowie die Unkenntnis die dann zu Angst und schließlich auch zu sinnloser Gewalt führt – vor allem gegen die jüdische Glaubensgemeinschaft. Mit hat gefallen, wie Rebecca Gablé sich diesem heiklen Thema annimmt aber dennoch aufzeigt, das ein friedliches Zusammenleben trotz starker Ressentiments der Gesellschaft möglich war und ist.

Trotz vieler positiver Eindrücke gibt es auch in paar kleinere Kritikpunkte. An manchen Stellen kam mir die Handlung etwas zu konstruiert vor, zum Beispiel überraschende Zufälle, die in letzter Sekunde das Blatt zum Guten wenden oder hin und wieder unglaubwürdiges Verhalten von Personen, das für mich nicht so ganz nachvollziehbar war. Hier hätte ich mir manchmal elegantere und vielleicht etwas kompliziertere Lösungen gewünscht, wie sich die Protagonisten hätten retten können. Ein weiterer Kritikpunkt sind die Längen. An manchen Stellen wünscht man sich einfach etwas mehr Zug in der Handlung und weniger Ausschweifungen. Aber die Autorin schreibt ja selbst von sich im Nachwort, dass es ihr manchmal schwerfällt sich kurzzufassen. Es sei ihr vergeben.

Mein Fazit

4 von 5 Sternen "Gut recherchiert. Tolle Charaktere."
4 von 5 Sternen
„Gut recherchiert. Tolle Charaktere.“

Ich mag Rebecca Gablés Bücher und auch Hiobs Brüder hat mich nicht enttäuscht. Die Autorin verknüpft eine gute recherchierte geschichtliche Rahmenhandlung und eine Vielzahl interessanter Einblicke ins mittelalterliche Leben mit tiefgründigen Charakteren. Der Schreibstil ist sehr flüssig und das Buch liest sich, trotz seiner über 900 Seiten relativ zügig. Manchmal war mir die Handlung etwas zu vorhersehbar bzw. die Lösungen brenzliger Situationen zu einfach. Dennoch kann ich Hiobs Brüder empfehlen. Es ist eine tolle Geschichte.

Jay

3 Gedanken zu “Hiobs Brüder von Rebecca Gablé

  1. Rebecca Gablé habe ich zwar noch nie gelesen, aber meine Mutter ist ein großer Fan. Auf der suche nach neuen Büchern, werde ich sie wohl jetzt fragen, ob ich ihre Bücher nicht ausborgen könnte 🙂

    1. Rebecca Gablé lohnt sich. „Hiobs Brüder“ ist sehr gut. Eine Bekannte liest gerade „Das Lächeln der Fortuna“, was ich auch sehr empfehlen kann.

      Viele Grüße
      Jay

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