29. März 2024

Erik Axl Sund: Narbenkind

Es gibt viele Arten zu weinen: laut, leise oder gar nicht.

Erik Axl Sund: Narbenkind
Erik Axl Sund: Narbenkind Broschierte Ausgabe Goldmann Verlag (2014)
Erik Axl Sund: Narbenkind
Broschierte Ausgabe
Goldmann Verlag (2014)

Jeanette Kihlbergs Ermittlungen in einer Mordserie an Jungen in Stockholm werden vorübergehend auf Eis gelegt, als ein ranghoher Geschäftsmann auf bestialische Weise getötet wird. Man geht von einem Racheakt aus – doch Rache wofür?

Psychologin Sofia Zetterlund soll ein Täterprofil erstellen, aber dann geschehen weitere Morde. Und diese scheinen in Verbindung mit Victoria Bergman zu stehen. Während die Ermittlungen nach Dänemark führen, hat Sofia immer häufiger Bewusstseinsstörungen … (Klappentext)

Titel: Narbenkind Autor: Erik Axl Sund Verlag: Goldmann Reihe: Victoria-Bergman-Trilogie, #2 Seitenzahl: 512 Genre: Psychothriller Alter: 18+ Erste Aufl.: 15. September 2014 Ausgaben: Taschenbuch, E-Book, Hörbuch ISBN: 978-3442481187 (TB)

Über das Buch und die Autoren

Das Autorenduo Erik Axl Sund Quelle: www.otava.fi
Das Autorenduo Erik Axl Sund, Quelle: www.otava.fi

Das schwedische Autorenduo Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist schrieben gemeinsam diese sogenannte Victoria-Bergman-Trilogie unter dem Pseudonym Erik Axl Sund und schufen Thriller, der aufgrund ihrer Härte schon seit seinem Erscheinen im Juli 2014 die Gemüter erregt.
Vom Beruf ist Håkan eigentlich Künstler, genauer gesagt Musiker und Tontechniker. Sein Freund Jerker kommt als Bibliothekar im Gefängnis den bösen Buben ziemlich nahe und er hat zudem eine Elektropunkband mit dem Namen „iloveyoubaby!“, die Håkan produziert. Die Trilogie ist das Romandebüt der beiden und wurde bereits 2012 preisgekrönt.
Narbenkindist mit 455 Seiten (E-Book) der zweite Teil und erschien am 15. September 2014 bei Goldmann. Die deutsche Übersetzung des ersten Teils (Krähenmädchen) kam bereits im Juli 2014 in die Regale. Im November soll der dritte Teil unter dem Titel Schattenschrei  die Trilogie abschließen.

Meine Meinung

Spoiler
Leidtragender ist hier vor allem ihr Sohn Johan, der die Ereignisse des ersten Teils überlebt, jedoch nicht ohne (zumindest geringe) psychische Probleme. Zudem werden Kinder in dem Alter eh schwierig.

Als Leser gehen einem vor allem die Missbrauchsfälle unter die Haut, die immer wieder im Buch Erwähnung finden und es erhöht natürlich die Spannung, ebenso wie die vielen kurzen Kapitel und schnellen Perspektivenwechsel zwischen den handelnden Personen. Die Autoren schaffen es fast am Ende eines jeden Abschnitts einen Cliffhanger einzubauen. Zunächst war das wegen der Spannung noch ganz ok, später war ich davon allerdings etwas genervt, denn es erinnerte mich stark an die Werbepausen einschlägige Privatsender an den spannendsten Stellen des Films und wurde für meinen Geschmack zu stark ausgereizt. Man will als Leser schließlich Neues erfahren und nicht ständig mit dem letzten Satz ausgebremst werden.

Als Ganzes betrachtet wird der Fall für Jeanette und ihre Kollegen immer mehr zu einem echten Sumpf, da es zwischen den beteiligten Personen sehr viele Beziehungen gibt und alles mit allem zusammenzuhängen scheint. Man kann Jeanette verstehen, wenn sie sagt „man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht“, denn manchmal hat sie Lösungen tatsächlich vor Augen, aber versäumt es die richtigen Schlüsse zu ziehen, die einem als mehr-wissender Leser doch so einfach vorkommen. Natürlich kann das der Fall sein, aber ich fand das in seltenen Fällen etwas unglaubwürdig, zumal es Jeanette  auch versäumt wichtigen Spuren hinreichend nachzugehen bzw. sie sich in meinen Augen zu wenig Gedanken über die neuen Hinweise macht.

Dennoch lässt sich positiv anmerken, dass die Ermittlungsarbeit in Narbenkind wesentlich mehr Raum einnimmt, als im ersten Teil. Dadurch wird die Polizeiarbeit auch etwas glaubwürdiger. Die Beschreibungen der Tatorte und Morde sind bildhaft genug und geben der Handlung zusätzlich Spannung. Zum Schluss hin haben Erik Axel Sund meiner Meinung nach etwas dick aufgetragen, als es um die Aufdeckung von Verwandtschaftsverhältnissen geht. Manchmal frag ich mich schon, ob es überhaupt etwas gibt, was die beiden in ihrem Dreiteiler auslassen wollen, denn eine Sekte spielt urplötzlich auch eine Rolle. Fehlen eigentlich nur noch die Aliens, die einen der Charaktere während der Kindheit entführt haben sollen. Man kann davon halten, was man will, mir war es jedoch in dem Moment ein bisschen zu viel.

Nach Krähenmädchen bin ich mit recht hohen Erwartungen an diesen zweiten Teil der Trilogie herangetreten, denn natürlich erwartet man als Leser, dass die Reihe in ähnlicher Weise weitergeht und sich die Bücher bestenfalls sogar noch steigern. Leider muss ich sagen, dass Narbenkind meine Erwartungen nicht in dem Maße erfüllt hat. Wie schon aus dem Klappentext zu entnehmen, treten die Morde an den Jungen sehr in den Hintergrund und es gibt neue, diesmal hauptsächlich erwachsene, Opfer. Die eigentlichen Rätsel, die in Krähenmädchen aufgeworfen wurden, werden in Narbenkind kaum beantwortet. Vielmehr kommt eine ganze Reihe neuer Verwicklungen hinzu und ganze Geschichte bekommt noch einiges mehr an Hintergrund. Neue Charaktere, die in den Rückblicken des ersten Teils kurz namentlich erwähnt werden, bekommen eine größere Bedeutung und tragen dazu bei, dass die Handlung teilweise noch verzwickter wird. Die vielen (auch neuen) Namen machen die Geschichte manchmal etwas verworren und ich musste tatsächlich hin und wieder kurz innehalten und überlegen, wer das nun wieder war und in welcher Beziehung die Person zu den anderen steht. Man wünscht sich beinahe ein Namensregister, allerdings würde dieses sicher zu viele Informationen vorweg nehmen.

Die Handlung ist geprägt von zahlreichen Rückblicken in die Kindheit von Victoria Bergman und was sie alles erleiden musste. Sofia Zetterlund kämpft immer mehr mit sich selbst und leidet verstärkt unter Gedächtnislücken, die der Leser oft nur durch Vermutungen schließen kann. Natürlich spielt auch Jeanette als Ermittlerin eine Hauptrolle und sie wird so stark in den Fall gezogen, dass sie ihr soziales Umfeld ziemlich stark vernachlässigt, also eine immer wieder anzutreffende Angewohnheit der überarbeiteten Ermittler in Thrillern. Gleichzeitig bekommt ihre Beziehung zu Sofia etwas mehr an Bedeutung, da Jeanette sie gerne als Freundin um Hilfe bittet, was natürlich, für sich gesehen, schon heikel ist.
Jeanettes Kollege  Jens Hurtig ist mir sehr positiv aufgefallen, denn er  bekommt im Buch noch mehr Charakter und ist eine wirkliche Bereicherung für Jeanette bei ihrem Balanceakt die Arbeit und das Privatleben einigermaßen in Einklang zu bringen. Das fand ich gut.

Mein Fazit

3.5 von 5 Sternen "Ein spannendes Buch mit manchen Schwächen."
3.5 von 5 Sternen
„Ein spannendes Buch mit manchen Schwächen.“

Narbenkind ist ein spannender zweiter Teil der Trilogie mit einigen Stärken aber auch Schwächen. Ich kann das Buch empfehlen, hätte mir jedoch gewünscht, die Autoren hätten nicht zu viel Neues in die Handlung gewoben, die dadurch manchmal etwas unübersichtlich wird bzw. bei mir auch an Glaubwürdigkeit einbüßte. Viele neue Erkenntnisse geben genug Raum für Spekulationen und auch die Charaktere und ihre Handlungen sind insgesamt gut beschrieben und glaubwürdig. Dennoch fand ich den ersten Teil ein ganzes Stück besser und erhoffe mir einen überzeugenden Abschluss im dritten Teil Schattenschrei.

Jay

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