29. März 2024

Der Circle (The Circle) von Dave Eggers

Geheimnisse sind Lügen. Teilen ist heilen. Alles Private ist Diebstahl.

Dave Eggers: Der Circle
Dave Eggers: Der Circle Dt. Hardcoverausgabe Kiepenheuer & Witsch (2014)

Die 24-jährige Mae Holland ist überglücklich. Sie hat einen Job ergattert in der hippsten Firma der Welt, beim »Circle«, einem freundlichen Internetkonzern mit Sitz in Kalifornien, der die Geschäftsfelder von Google, Apple, Facebook und Twitter geschluckt hat, indem er alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet, über die einfach alles abgewickelt werden kann. Mit dem Wegfall der Anonymität im Netz – so ein Ziel der »drei Weisen«, die den Konzern leiten – wird es keinen Schmutz mehr geben im Internet und auch keine Kriminalität.

Mae stürzt sich voller Begeisterung in diese schöne neue Welt mit ihren lichtdurchfluteten Büros und High-Class-Restaurants, wo Sterneköche kostenlose Mahlzeiten für die Mitarbeiter kreieren, wo internationale Popstars Gratis-Konzerte geben und fast jeden Abend coole Partys gefeiert werden. Sie wird zur Vorzeigemitarbeiterin und treibt den Wahn, alles müsse transparent sein, auf die Spitze und wirkt sich auch stark auf ihr Privatleben aus. Doch eines Abends lernt sie während einer Party einen mysteriösen Fremden kennen, der alles infrage stellt…

Titel: Der Circle (The Circle) Autor: Dave Eggers Verlag: Kiepenheuer & Witsch (KiWi) Seitenzahl: 560 (504) Genre: Roman Alter: 16+ Erste Aufl.: 14. August 2014 (08.10.2013) Ausgaben: Hardcover, Taschenbuch, E-Book, Hörbuch ISBN: 978-3462046755 (HC)

Zum Buch und zum Autor von Der Circle

Der Autor Dave Eggers wurde am 12. März 1970 in Boston (USA) geboren und ist ein amerikanischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Er hatte bereits mehrere Bücher geschrieben, bevor er im Oktober 2013 seinen bisher erfolgreichsten Roman The Circle veröffentlichte, der die Kritiker international begeisterte. Das Buch erschien im August 2014 in Deutschland unter dem Titel Der Circle und schaffte es innerhalb kürzester Zeit in die Bestsellerlisten. Die Übersetzer sind Ulrike Wasel und Klaus Timmermann.
Die deutsche Hardcoverausgabe ist mit 560 Seiten etwas umfangreicher, als der englische Originaltext (506 Seiten). Das Buch ist in drei Abschnitte unterteilt. Die ersten beiden haben jeweils etwa 270 Seiten, der letzte Abschnitt ist mit einer Länge von drei Seiten überraschend kurz geraten und schildert das Ende der Geschichte. Das Coverdesign ist das Gleiche. Es zeigt das Firmenlog von The Circle vor rotem Hintergrund, Titel und Autor sind schwarz gedruckt.

Meine Meinung zu Der Circle

Ich hatte das Buch schon mehrmals in der Buchhandlung in der Hand, bevor ich es mir als E-Book besorgte. Der Schreibstil ist weitgehend klar, jedoch kommen hin und wieder lange Schachtelsätze vor, die man zweimal lesen muss, um sie völlig zu erfassen. Dave Eggers beschreibt in Der Circle (warum man „Circle“ nicht auch übersetzte entzieht sich mir) eine erschreckende und gleichzeitig faszinierende Welt, die auf dem besten Weg ist eine gläserne Gesellschaft zu werden. Jeder Mensch auf der Erde soll zu jeder Zeit an alle erdenklichen Informationen über seine Umwelt und alle anderen Menschen gelangen können. Jeder Handlung und Interaktion mit den Mitmenschen, jedes einzelne Gespräch, wird mit Hilfe von Kameras und Mikrofonen festgehalten und bis in alle Ewigkeit gespeichert. Alles wird offengelegt, eine Privatsphäre und Geheimnisse vor den Mitmenschen soll es für niemanden mehr geben.

Wir werden allsehend, allwissend.

David Eggers: Der Circle

Dave Eggers beschreibt die Geschehnisse aus der Sicht des allwissenden Erzählers mit dem Fokus auf die Protagonistin Mae, die zu Beginn des Buches bei dem amerikanischen Unternehmen „The Circle“ anfängt und immer mehr in den Bann der Firmenphilosophie gezogen wird. Sie lässt sich von der schönen Welt vereinnahmen, die The Circle ihr präsentiert, erfährt permanente Bestätigung durch ihre Kollegen und verliert dabei nicht nur ihr Gewissen, sondern auch Menschen außerhalb der Firma, die ihr nahestanden. Was man dem Autor definitiv ankreiden kann, ist die unglaubliche Naivität, mit welcher er Mae ausgestattet hat. Einerseits wird sie als intelligent und überaus gebildet dargestellt, andererseits lässt sie sich immer wieder so stark beeinflussen, dass es unglaubwürdig wird. Bei manchen Gesprächen zwischen ihr und Vorgesetzten spürt man richtig, wie sehr hier ihre Meinung manipuliert wird und jeder halbwegs mündige Mensch hätte an diesen Stellen sicher lautstark protestiert und gesagt „Lasst mich in Ruhe. Das geht euch einen feuchten Dreck an!“ Doch Mae nimmt alles hin und passt sich dermaßen an, dass es schon fast unerträglich ist.

Die Veränderung der Gesellschaft geht in The Circle recht ungehindert vonstatten und das liegt sicher daran, dass man erfolgreich versucht den Menschen Angst einzujagen. Das gesteigerte Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit führt in der Konsequenz zu einer stärkeren (regelrecht übertriebenen) Überwachung der Umwelt bzw. Mitmenschen, um Risiken zu minimieren und Verbrechen zu verhindern. Ich kann mir persönlich allerdings nicht vorstellen, dass dies real ebenso einfach möglich wäre, ohne dass es von einflussreichen Bürgerrechtsorganisationen Widerstand geben würde. Der Autor macht es sich hier in meinen Augen etwas zu leicht, die sieben Milliarden Lämmer der Weltbevölkerung zur Schlachtbank zu führen. Im Buch wird zwar hin und wieder auch Bedenken von Politikern erwähnt, jedoch nicht weiter vertieft. Mir hat die Kritik etwas gefehlt und das war in meinen Augen ziemlich unglaubwürdig.

Gut gelungen ist dem Autor jedoch die Darstellung der vielen Probleme, welche die weltweite Vernetzung der Menschen und ihrem hohen Sicherheitsbedürfnis mit sich bringt. So werden zum Beispiel gezielt Ängste geschürt, um den Einsatz von Sensoren und (versteckten) Kameras im privaten Umfeld zu rechtfertigen. Und das ist nur eines von mehreren Beispielen, die Privatsphären der Menschen drastisch einzuschränken.
Der Wunsch nach sozialer Vernetzung über das Internet, nach Selbstbestätigung und Anerkennung (Likes) und neue Freunde führt bei Mae zu einer Vielzahl von Problemen, die sie jedoch nicht wahrhaben will. Ohne hier ins Detail zu gehen, aber viele davon lassen sich auch im realen Leben beobachten. Zwar ist Mae anfangs nach einigermaßen skeptisch und merkt, dass etwas nicht stimmt, jedoch wirft sie ihre Bedenken mit der Zeit weit über Bord und lässt sich von The Circle völlig vereinnahmen und manipulieren.

Das Unheimliche und Paradoxe daran ist, dass du glaubst, du bist im Mittelpunkt des Geschehens, dass deine Meinungen deshalb wertvoller wären, aber du selbst verlierst an Lebendigkeit.

Dave Eggers: Der Circle

Immer wieder meint man in den Dingen, die Mae widerfahren, sich selbst oder einen bekannten Menschen  zu erkennen, was die ganze Geschichte durchaus real erscheinen lässt.

Mein Fazit zu Der Circle

3.5 von 5 Sternen
„Ein lesenswertes Buch.“

Mit The Circle ist Dave Eggers ein guter Roman gelungen, der auch nach dem Ende der Lektüre den Leser gedanklich weiter beschäftigen kann. Er zeigt auf interessante Weise die Probleme auf, welche mit sozialen Netzwerken und einem übersteigerten Sicherheitsbedürfnis der Menschen einhergehen können und die im Extremfall in eine „gläsernen Gesellschaft“ münden, in der jeder Mensch sein Leben zu 100 % der restlichen Welt offen legt. Eine Gesellschaft, in der es keine Geheimnisse mehr gibt und die von einem oder mehreren Großkonzernen gesteuert wird. George Orwell hat schon 1949 in seinem bekannten Roman 1984 das Szenario eines totalen Überwachungsstaates entworfen und liegt damit, zumindest in manchen Dingen, nicht allzu weit von den aktuellen technischen Möglichkeiten entfernt. Wie wird sich unsere Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten tatsächlich entwickeln? Bleibt zu hoffen, dass sie nicht die gleichen Wege gehen wird, wie in The Circle, denn manche Probleme der weltweiten Vernetzung sind bereits heute offensichtlich.

Jay

2 Gedanken zu “Der Circle (The Circle) von Dave Eggers

  1. Eine schöne, sehr ausführliche Rezi! Das Buch liegt noch auf meinem SuB, weil ich nach ein paar Seiten die Lust verloren habe – Maes Naivität schleppt sie durch das Buch xD Mich erinnert deine Rezi an den Film Paycheck. Dort wird das Problem auf eine einfache Formel gebracht – je mehr wir die (vorherbestimmte) Zukunft verhindern, desto wahrscheinlicher wird sie eintreffen. Ähnlich scheint es im Buch – das Bedürfnis nach Sicherheit führt dazu, dass sie die Kontrolle über ihr Leben verlieren 🙂

    1. Ja. Die Naivität der Protagonistin wurde schon in vielen Rezis angesprochen. Leider ist es wirklich so, dass es oft etwas überzogen wirkt. Aber vielleicht ist das ja vom Autor auch ein bisschen so gewollt.

      LG
      Jay

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